Vorlagepflicht zum EuGH bei Klagen mit DSGVO-Schadensersatzansprüchen
Leitsatz
Vorlagepflicht zum EuGH bei Klagen mit DSGVO-Schadensersatzansprüchen
Tenor
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn (...), (.,..) Dossenheim,
gegen
a) den Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 11. November 2019 - 28 C 7/19
b) das Urteil des Amtsgerichts Goslar
vom 27. September 2019 - 28 C 7/19 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch (...) am 14. Januar 2021 einstimmig beschlossen:
1. Das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 27. September 2019 - 28 C 7/19 - verletzt den Be¬schwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneu¬ten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Goslar zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 11. November 2019 - 28 C 7/19 - gegenstandslos.
2. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Entscheidungsgründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die teilweise Abweisung einer zivilrechtlichen Klage und betrifft die Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europa- ischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV.
1. Der als Rechtsanwalt tätige Beschwerdeführer erhielt am 7. Dezember 2018 eine Werbe-Email des Beklagten des Ausgangsverfahrens an seine berufliche Email-Adresse. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob der Beschwerdeführer zuvor eine Bestellung bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens aufgegeben und dabei in die Übersendung von Werbe-Emails eingewilligt hatte. Mit Schreiben vom gleichen Tag mahnte der Beschwerdeführer den Beklagten des Ausgangs¬verfahrens ab.
Mit Klage vom 7. Januar 2019 beantragte der Beschwerdeführer erstens, den Beklagten des Ausgangsverfahrens zu verurteilen, es zu unterlassen, zu Werbezwecken mit ihm per Email Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliege, zweitens Auskunft über die ihn betreffenden gespeicherten Daten zu erteilen, drittens festzustellen, dass die geltend gemachten Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung stammten, sowie viertens die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verurteilen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, das aber den Betrag von 500 Euro nicht unterschreiten solle.
Das zu zahlende Schmerzensgeld begründete der Beschwerdeführer mit Verweis auf Art. 82 Abs. 1 Datenschutz¬Grundverordnung (Verordnung [EU] 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABI. L 119 vom 4. Mai 2s016; im Folgenden: DSGVO), der für schuldhafte Verstöße gegen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung ein angemessenes Schmerzensgeld vorsehe. Vorliegend sei seine Email-Adresse im Sinne des Art. 6 DSGVO datenschutzwidrig, weil ohne Einwilligung verwendet worden.
2. Durch das angegriffene Urteil vom 27. September 2019 gab das Amtsgericht der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungs- und des Auskunftsanspruchs statt. Im Übrigen wies es die Klage ab. Ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu nicht vom Unionsrecht beeinflussten Fällen, wonach eine Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung einen schwerwie¬genden Eingriff erfordere, der nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne, auch für den hier geltend gemachten und auf Art. 82 DSGVO ge¬stützten Anspruch gelte, erscheine zwar mit Blick auf Satz 3 des Erwägungsgrun¬des 146 der DSGVO fraglich. Im Streitfall sei jedoch ein Schaden nicht ersichtlich.
Es habe sich lediglich um eine einzige Werbe-Email gehandelt, die nicht zur Unzeit versandt worden sei, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich gezeigt habe, dass es sich um Werbung handele, und die ein längeres Befassen mit ihr nicht notwendig gemacht habe.
3. Nach Zurückweisung einer Anhörungsrüge rügt der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
4. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Niedersächsischen Justizministerium sowie dem Beklagten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Rechts des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrecht¬lichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
1. Das Amtsgericht hat das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt, indem es aufgrund der teilweisen Klageabweisung, der dadurch für den Beschwerdeführer nicht erreichten Berufungsbeschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und der nicht zugelassenen Berufung letztinstanzlich tätig ge¬worden ist und entgegen Art. 267 Abs. 3 AEUV von einem Vorabentscheidungser¬suchen an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen hat.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne 9 des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; 135, 155 <230 f. Rn. 177>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>). Es kann einen Entzug des gesetzlichen Richters darstellen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichts¬hofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 f >; 82, 159 <192 ff.>; 135, 155 <230 f. Rn.177>; stRspr).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, 10 Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 21; Urteil vom 15. September 2005, C-495/03, EU:C:2005:552, Rn. 33; Urteil vom 6. Dezember 2005, C-461/03, EU:C:2005:742, Rn. 16; stRspr) muss ein nationa¬les letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte eclaire) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair) (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f >; 140, 317 <376 Rn. 125>; 147, 364 <378 f. Rn. 37>). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Union die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das Gericht von einer Vorlage absehen und die Frage in eigener Verantwortung lösen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.LT., C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 16).
Diese Grundsätze gelten auch für die uniönsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift 11 des Art. 267 Abs. 3 AEUV.
Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>; 147, 364 <380 Rn. 40>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f>; 128, 157 <187>; 129, 78 <1Ö6>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Ein¬schätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht.
Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>). Ein „oberstes Vorlagerikontrollgericht“ ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <231 f. Rn. 180>; 147, 364 <379 f. Rn. 39>; BVerfGK 13, 506 <512>; 14, 230 <233>; 16, 328 <336>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 [1457]).
Die Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften wird in verfassungswidriger Wejse gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hat (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f>; 126, 286 <316 f >; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 Rn. 181 >; 147, 364 <380 Rn. 41 >).
Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vor-lagebereitschaft; vgl. BVerfGE 75, 223 <245>; 82, 159 <195>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f>; 129, 78 <106 f>; 135, 155 <232 Rn. 182>; 147, 364 <381 Rn. 42>).
Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f>; 128, 157 <187 f>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f. Rn. 183>).
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; BVerfGK 10, 19 <29>). Jedenfalls bei willkürlicher Annahme eines „acte clair“ oder eines „acte eclaire“ durch die Fachgerichte ist der Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten (vgl. BVerfGE 135, 155 <232 f. Rn. 183>; 147, 364 <381 Rn. 43>).
In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob sich das Gericht hinsichtlich des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte öclaire“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>). Hat es dies nicht getan, verkennt es regelmäßig die Bedingungen für die Vorlagepflicht.
Zudem hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGE 147, 364 <380 f. Rn. 41>; BVerfGK 8, 401 <405>; 10, 19 <30 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 -1 BvR 1036/99 -, Rn. 21; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 -1 BvR 230/09 Rn. 19).
Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Für die Frage nach einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union kommt es im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts - hier der DSGVO - an, sondern auf die Beachtung oder Verkennung der Voraussetzungen der Vorlagepflicht nach der Vorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV, die den gesetzlichen Richter im Streitfall bestimmt (vgl. BVerfGE 128, 157 <188>; BVerfG, Beschluss der 3j. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 -1 BvR 230/09 Rn. 20; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senatsv om30. August 2010 -1BvR T631/08 -, Rh: 48).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, indem es von eindm Vorabentscheidungsersuchen we¬gen der zu klärenden Frage, ob im vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fall der datenschutzwidrigen Verwendung einer Email-Adresse und der Übersendung einer ungewollten Email an das geschäftliche Email-Konto des Beschwerdeführers nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Schmerzensgeldanspruch des Beschwerdeführers in Betracht kommt.
aa) Das Amtsgericht hätte nicht ohne Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden dürfen, dass sich kein Anspruch des Beschwerdeführers aus der ohne seine ausdrückliche Einwilligung, erfolgten Übersendung der Email aus Art. 82 DSGVO ergebe, weil ein Schäden nicht eingetreten sei.
Der im Ausgangsverfahren zu beurteilende Sachverhalt warf die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Geldentschädigungsanspruch gewährt und welches Verständnis dieser Vorschrift insbesondere im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 Satz 3 zu geben ist, der eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verlangt, die den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entspricht. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder imrriaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen, also diejenige natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder
gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von perso-nenbezogenen Daten entscheidet (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO).
Dieser Geldentschädigungsanspruch ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weder erschöpfend geklärt noch kann er in seinen einzelnen, für die Beurteilung des im Ausgangsverfahrens vorgetragenen Sachverhalts notwendigen Voraussetzungen unmittelbar aus der DSGVO bestimmt werden. Auch in der bislang vorliegenden Literatur, die sich im Hinblick auf Erwägungsgrund 146 wohl für ein weites Verständnis des Schadensbegriffes ausspricht, sind die Details und der genaue Umfang des Anspruchs noch unklar (vgl. Gola/Piltz, in: Gola, DSGVO, 2. Aufl., 2018, Art. 82 Rn. 12 f.; Quaas, in: BeckOK Datenschutzrecht, 34. Ed., 11/2020, Art. 82 Rn. 23 f.; Bergt, in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 3. Aufl., 2020, Art. 82 Rn. 17 f.; Boehm, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Aufl., 2019, Art. 82 Rn. 11 f.; Frenzei, in: Paal/Pauly, DSGVO BDSG, 2. Aufl., 2018, Art. 82 Rn. 10).
Von einer richtigen Anwendung des Unionsrechts, die derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bliebe (acte clair), konnte das Amtsgericht ebenfalls nicht ausgehen. Dies gilt umso mehr, als Art. 82 DSGVO ausdrücklich immaterielle Schäden einbezieht.
bb) Die angegriffene Entscheidung zeigt, dass das Amtsgericht die Problematik der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO durchaus gesehen hat. Es hat sodann aber verfassungsrechtlich relevant fehlerhaft eine eigene Auslegung des Unionsrechts vorgenommen, indem es sich für die Ablehnung des Anspruchs auf ein Merkmal fehlender Erheblichkeit gestützt hat, das so weder unmittelbar in der DSGVO angelegt ist, noch von der Literatur befürwortet oder vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendet wird.
Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer mit angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts, mit dem es die erhobene Gehörsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat. Auch hier rekurriert das Amtsgericht auf das Bestehen eines bislang ungeklärten Merkmals eines Bagatellverstoßes im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
cc) Die Antwort auf die Rechtsfrage, wie Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor dem Hintergrund von Erwägungsgrund 146 in Fällen der Übersendung einer Email ohne Zustimmung auszulegen ist, war für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zahlungsanspruch entscheidungserheblich.
2. Die Entscheidung BVerfGG. über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.