Noch einmal: In Filesharing-Sachen führen Datenschutzverletzungen zu Beweisverwertungsverboten

Amtsgericht Koblenz

Hinweisbeschluss v. 24.11.2014 - Az.: 411 C 250/14

Leitsatz

Ist der Beklagte in einem P2P-Urheberrechtsfall nicht Kunde bei der Deutschen Telekom AG, sondern bei einem Reseller, muss sich der richterliche Gestattungsanspruch nach § 101 Abs.9 UrhG auf den Reseller beziehen und nicht auf die Deutsche Telekom. Erfolgt gleichwohl eine Beauskunftung, liegt ein Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht vor, das zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

Entscheidungsgründe

In dem Rechtsstreit (...)

wegen Urheberrechtsverletzung

hat das Amtsgericht Koblenz durch (...) am 14.11.2014 beschlossen:

Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:
Die vorstehende Klage erscheint bereits aus Rechtsgründen nicht begründet. Maßgeblich hierfür ist, dass die Ermittlung der streitgegenständlichen IP-Adresse unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen des TKG erfolgt ist. Damit wird in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Beklagten eingegriffen und ein Verwertungsverbot des widerrechtlich erlangten Beweismittels begründet.

Im Einzelnen gilt Folgendes: Die Ermittlung des Anschlusslnhabers über eine dem mutmaßlich Verletzten  durch  von  diesem  angestrengte  Ermittlungamaßnahmen  bekannt gewordene
IP-Adresse erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt muss der Netzbetreiber (sogenannter Access-Provider oder Zugangsanbieter) über die durch den Verletzten mitgeteilte IP-Adresse die Benutzerkennung des vom Teilnehmer und mutmaßlichen Urheberrechteverletzer verwendeten Anschlusses ermitteln.

Im vorliegenden Fall ist die Deutsche Telekom AG der maßgebliche Access-Provider. In einem weiteren zweiten Schritt ordnet der Netzbetrleber anhand seines eigenen Datenbestandes den Anschluss einem bestimmten Teilnehmer zu und übermittelt die auf diese Weise ermittelte Identität des Anschlussinhabers dem auskunftverlangenden Rechteinhaber.

Insoweit liegt vorstehend eine richterliche Gestattung dieser Übermittlung durch die Deutsche Telekom AG gemäß § 101 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs, 9 UrhG durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 09.04.2010 - 237 O 65/10 - vor.

Ungeachtet dessen verstößt diese Übermittlung gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, ohne insoweit durch diese gerichtliche Genehmigung abgedeckt zu sein. Die Erhebung der Bestandsdaten des Teilnehmers (Rufnummer, Name, Adresse, Geburtsdatum des Teilnehmers und ggf. Anschrift des Anschlusses), die durch die Verknüpfung mit der ermittelten dynamischen IP-Adresse ebenfalls zu Verkehrsdaten werden (vergl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10, Aufl. Rdnr. 66 m.w.N. aus der Rechtsprechung), erfolgt nämlich primär nicht durch den Access-Provider, sondern durch den Vertragspartner und Provider des Anschlusslnhabers (sogenannter Reseller). Ein solcher Reseller, bei dem es sich regelmäßig nicht um die Deutsche Telekom AG handelt, sondern entweder eine von deren rechtlich selbständigen Konzerntöchtern oder einen außerhalb des Konzern der Deutschen Telekom AG agierenden Drittanbieter, erbringt als Vertragspartner des Endkunden dessen Zugang zum Internet als Leistung im eigenen Namen und nutzt hierfür lediglich die Telekommunlkatlonsnetze der Netzbetreiber.

Nur zwischen dem Reseller und dem Endkunden bestehen überhaupt telekommunikatlonsrechtliche vertragliche Beziehungen.

Die Erhebung der Bestandsdaten des Teilnehmers durch den Reseller erfolgt auf der Grundlage des § 111 Abs. 1 TKG. Der Reseller übermittelt diese Daten an den Netzbetreiber, hier die Deutsche Telekom AG, auf der Grundlage des § 111 Abs. 2 TKG. Nach dieser Vorschrift hat der Vertriebspartner die Daten zu erheben und an den Dienstanbieter zu übermitteln. Zweck dieser Datenerhebung und Datenübermittlung sind allein die Auskunftsverfahren nach §§ 112,113 TKG.

Auskünfte aus den Datensätzen dürfen jedoch gemäß § 112 Abs. 2 TKG nur an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden, Polizeivollzugsbehörden, Zollkriminalamt, Zollfahndungsdienst, Zollbehörden, Verfassungsschutzbehörden, Notrufabfragestellen sowie an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erteilt werden sowie gemäß § 113 Abs. 3 TKG an die Strafverfolgungsbehörden, Bußgeldstellen, Sicherheitebehörden und Verfassungsschutzbehörden. Die Beauskunftung gegenüber anderen Stellen, Insbesondere Dritten mit rein privatrechtlichem Interesse ist jedoch nach diesen Vorschriften nicht zulässig.

Zulässig wäre daher in den Fällen, in denen der Reseller die Leistung im eigenen Namen erbringt und nicht mit dem Access-Provider (Netzbetreiber) identisch ist, lediglich die Mitteilung des Namens und der Anschrift des Resellers durch den Netzbetreiber. Der Reseller müsste dann seinerseits die Auskunft über die Daten des Anschlussinhabers erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG vorliegen, also wenn diesem die Auskunfterteilung gerichtlich gestattet wurde, da auch diese Auskunfterteilung auf die ermittelte IP-Adresse zurückgeht und damit unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgt.

Dies ist Im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, der streitgegenständllche Gestattungsbeschluss richtet sich nur gegen die Deutsche Telekom AG als Access-Provider.

Daher ist die Beauskunftung rechtswidrig und unter Verstoß gegen die einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgt. Dies impliziert gleichzeitig eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts des Beklagten, das ein Verwertungsverbot hinsichtlich des rechtswidrig erlangten Beweismittels nach sich zieht.

Schutzwürdige Interessen der Klägerin als Inhaberin der urheberrechtlich geschützten Rechte und damit mutmaßlich Verletzte stehen dem nicht entgegen. Das Gericht bewertet den Verletzer, über den Auskunft erteilt werden soll, dabei keineswegs als schutzwürdiger als die Klägerin als urheberrechtliche Rechtsgutträgerin. Deren Recht am geistigen Eigentum bzw. urheberechtliches Nutzungsrecht ist nämlich ebenfalls mit Verfassungsrang nach Artikel 14 Abs. 1 GG geschützt.

Allerdings ist die Klägerin gehalten, den vorstehend aufgezeigten Weg zu beschreiten, um damit den von der Rechtsordnung gestellten Anforderungen zu genügen. Dies ergibt sich allein aus dem erheblichen Gewicht des Eingriffs in das grundgesetzllch geschützte Persönlichkeitsrecht des Beklagten durch Erteilung der beanspruchten Auskunft.

Das Gericht beabsichtigt, auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden. Beide Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 05.12.2014. Sie mögen innerhalb der vorgenannten Frist auch mitteilen, ob weiterhin im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann.