Keine Filmaufnahmen von Nachbarn durch eigene Videokameras erlaubt
Leitsatz
Der Betrieb von Videokameras, die nicht nur das eigene Gelände filmen, sondern auch das des Nachbarn, greifen in das Persönlichkeitsrecht der gefilmten Nachbarn ein.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 24.02.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lemgo wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs verurteilt wird, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, an dem Gebäude seines Hauses Kameras so aufzustellen bzw. anzubringen, dass von diesen das Grundstück der Klägerin erfasst wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. den §§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führt lediglich hinsichtlich des Unterlassungsanspruches zu einer Richtigstellung des Urteilstenors.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Beklagten – gestützt auf die §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB – dazu verurteilt, die streitgegenständlichen Videokameras zu entfernen und es zukünftig zu unterlassen, auf seinem Grundstück Videokameras aufzustellen bzw. anzubringen, die das Grundstück der Klägerin erfassen. Zur Begründung wird zunächst auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens gilt noch Folgendes:
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass eine Videoüberwachung grundsätzlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der überwachten Personen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wenn diese durch die Überwachung tatsächlich betroffen sind (BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 = NJW 2010,1533 ff). Eine derartige Betroffenheit der Klägerin und Dritter, die zum Grundstück der Klägerin gelangen wollen, liegt vor, da die Videoüberwachungsanlage des Beklagten jede Bewegung von Personen, die sein Grundstück benutzen, um zum klägerischen Grundstück zu gelangen, jedenfalls sequenziell aufzeichnet.
2.
Eine derartige Videoüberwachung ist nur dann zulässig, wenn das berechtigte Überwachungsinteresse des überwachenden Grundstückseigentümers das Interesse des Nachbarn oder von Dritten, deren Verhalten mit überwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6 b BDSG inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt (so BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 220/12 = NJW 2013, 3089 ff). Danach ist die vom Kläger praktizierte Videoüberwachung selbst dann, wenn von ihr nur sein eigenes Grundstück erfasst wird, bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 6 b BDSG genügt. So ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass entsprechend § 6 b Abs. 2 BDSG auf dem Grundstück des Beklagten auf den Umstand der Videoüberwachung und die hierfür verantwortliche Stelle hingewiesen wird. Gemäß § 6 b Abs. 5 BDSG sind die aufgezeichneten Daten grundsätzlich unverzüglich zu löschen. Diesen Anforderungen wird die vom Beklagten selbst vorgetragene Speicherdauer für die Aufzeichnungen von 3-4 Wochen auch nicht ansatzweise gerecht.
3.
Auch eine Videoüberwachung, die ausschließlich zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Überwachenden dient, darf nicht in beliebigem Umfang und zu beliebigen Bedingungen durchgeführt werden. Vielmehr muss auch in derartigen Fällen der Umfang auf das notwendige Maß beschränkt werden (vergleiche auch hierzu BGH, a. a. O.). Gegen dieses „Übermaßverbot“ hat der Beklagte vorliegend aber verstoßen, weil er nach seinem eigenen Sachvortrag, der teilweise durch die vorgelegten Lichtbilder dokumentiert wird, die Bewegungen der Klägerin oder ihrer Besucher, die zwangsläufig sein Betriebsgelände überqueren müssen, um zu dem von der Klägerin bewohnten Hausgrundstück zu gelangen, aufgezeichnet hat, um mögliche Verstöße gegen das Wegerecht zu dokumentieren. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich, warum auch während der Betriebszeit des Unternehmens des Beklagten entsprechende Videoaufzeichnungen erforderlich sind, um Straftaten oder schadensersatzrechtlich relevante Verhaltensweisen Dritter zu verhindern oder nachträglich aufzuklären.
4.
Im Weiteren hat das Amtsgericht zutreffend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH ausgeführt, dass selbst dann, wenn Video-Überwachungs anlagen der streitgegenständlichen Art lediglich auf das Grundstück des jeweiligen Eigentümers gerichtet sind, gleichwohl ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn vorliegen kann, wenn dieser objektiv ernsthaft eine Überwachung befürchten muss (sog. „Überwachungsdruck“). Dabei reicht allerdings allein die hypothetische Möglichkeit eine Überwachung nicht aus. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles (vergleiche hierzu BGH, Urteile vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09 – und 21.10.2011 – V ZR 275/10). Insofern hat das Amtsgericht gut nachvollziehbar aufgezeigt, dass vorliegend ein derartiger „Überwachungsdruck“ gegeben ist. Denn Fotografien oder Videosequenzen über Diebstähle oder Sachbeschädigungen auf seinem Grundstück hat der Kläger nicht vorgelegt. Vielmehr hat er ausschließlich Fotos vorgelegt, die angebliche Überschreitungen des der Klägerin zustehenden Wegerechts durch diese selbst oder ihre Besucher dokumentieren. Zur Dokumentation derartiger Wegerechtsverletzungen bedarf es allerdings nicht der installierten Videokameras und der damit verbundenen lückenlosen Überwachung der Bewegungen auf dem Grundstück des Beklagten. Geschehen derartige Überschreitungen des Wegerechts während der Betriebszeit des Unternehmens des Beklagten, gibt es zu Dokumentationszwecken weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Hinzuziehung von Zeugen oder die Anfertigung von Lichtbildern, die lediglich die konkrete Situation wiedergeben. Außerhalb der Betriebszeiten des Unternehmens des Beklagten dürfte es kaum zu nennenswerten Eigentumsbeeinträchtigungen oder Störungen des Betriebsablaufes kommen, wenn beispielsweise ein Besucher der Klägerin sein Fahrzeug auf dem Betriebsgelände des Beklagten abstellt.
5.
Insgesamt ist das Amtsgericht daher zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass sich vorliegend nicht feststellen lasse, dass bei der durchzuführenden Interessenabwägung die berechtigten Interessen des Beklagten (Prävention vor und Aufklärung von Straftaten oder schadensersatzrechtlich relevanten Verhaltensweisen der Wegenutzer) das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen.
6.
Letzteres gilt nach Auffassung der Kammer selbst dann, wenn die streitgegenständlichen Videokameras tatsächlich nur das Grundstück des Beklagten erfassten und im Übrigen sowohl die Vorgaben des § 6 b BDSG als auch das Übermaßverbot beachtet würden. Denn insofern ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin sowie deren Mitbewohner und Besucher darauf angewiesen sind, das Grundstück des Beklagten zu überqueren, um zum Grundstück der Klägerin gelangen zu können. Um seinen berechtigten Interessen gerecht zu werden, müsste der Beklagte aber jedenfalls außerhalb der Betriebszeiten seines Unternehmens jegliche Bewegungen auf seinem Grundstück zumindest sequenziell aufzeichnen. Mit anderen Worten könnten die Klägerin sowie ihre Mitbewohner und Besucher „keinen Schritt machen“, ohne dass die Bewegungsmelder die Videokameras in Betrieb setzten und sämtliche Bewegungen der berechtigten Nutzer der Zuwegung aufzeichneten. Eine derart intensive Überwachung stellt nach Auffassung der Kammer aber einen so gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Wegenutzer dar, dass dieses bei der gebotenen Abwägung die berechtigten Interessen des Beklagten grundsätzlich überwiegt.
In diesem Zusammenhang kann entgegen der Ansicht des Beklagten dahinstehen, welche der beiden Parteien ihr Grundstück zuerst in Besitz genommen hat. Selbst wenn die Klägerin erst nach dem Beklagten in Kenntnis der besonderen Zuwegungssituation in das Haus auf dem hinterliegenden Grundstück eingezogen sein sollte, führte dies entgegen der Ansicht des Beklagten nicht per se zu einer Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Denn auch dem Beklagten war bei Erwerb seines Grundstückes bekannt, dass die Nutzer des hinter- liegenden Grundstückes darauf angewiesen sind, sein Grundstück zu überqueren. Insofern ließe sich dem Beklagten entsprechend entgegenhalten, dass sein Eigentum an seinem Grundstück nicht nur aufgrund der bestehenden Baulast, sondern auch wegen der besonderen Lage der beiden Grundstücke zueinander von vornherein ein eingeschränkt gewesen ist. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung gelangte man dann aber zu keinem anderen Ergebnis.
7.
Die Berufung des Beklagten führt allerdings zu einer Richtigstellung des Urteilstenors des amtsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs. Zutreffend weist der Beklagte in seiner Berufungsbegründung darauf hin, dass es nicht entscheidend auf die Ausrichtung der einzelnen Videokameras ankommt, sondern vielmehr darauf, ob sie tatsächlich auch das Grundstück der Klägerin erfassen.
8.
Zutreffend hat das Amtsgericht im Weiteren ausgeführt, dass die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren als Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu dem ersatzfähigen Schaden gehören, da es aufgrund der Ausrichtung und näheren Ausgestaltung der Videoüberwachungsanlage bereits zu Verletzungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin gekommen ist. Die Kosten sind von der Klägerin nach einem Gegenstandswert von 2500 EUR (Umfang der Verurteilung) der Höhe nach zutreffend in der Klageschrift berechnet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird abschließend auf 2500 EUR festgesetzt.