Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei unbedeutenden Rechtsverletzungen

Landgericht Landshut

Urteil v. 05.11.2020 - Az.: 51 O 513/20

Leitsatz

Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei unbedeutenden Rechtsverletzungen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus Datenschutzverletzungen geltend.

Der Kläger ist Eigentümer der Eigentumswohnung Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um die bis 31.12.2019 zuständige Hausverwaltung. Der Beklagte zu 2) ist der auch bereits im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beklagten zu 1) eingesetzte externer Datenschutzbeauftragte im Sinne des Art. 37 DSGVO.

In der Wohnanlage gab es einen Legionellenbefall, von dem auch die streitgegenständliche Wohnung des Klägers betroffen war. Durch die Beklagte zu 1) wurde zusammen mit der Einladung auch die Tagesordnung (Anlage K 1) zur Eigentümerversammlung vom 25.06.2019 an sämtliche der ca. 97 Wohnungseigentümer verschickt.

Unter der Überschrift „Aussprache und Beschlussfassung über weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ heißt es in Ziffer 22 der übersandten Tagesordnung wie folgt:
„Informationsblätter zum Umgang mit der Trinkwasseranlage, Merkblatt für die Inspektion und Wartung von Bauteilen für Trinkwasserinstallationen sowie die Historie der Trinkwasseranlagen als auch die nächsten Beprobungstermine sind der Einladung beigefügt.
Folgende Untergemeinschaften sind von einem Befall (ab 101 Kb) betroffen:
..."

Mit Email vom 17.07.2029 wurde die Beklagte zu 1) vom Kläger aufgefordert, die Daten für die durchzuführende Eigentümerversammlung zu schwärzen bzw. zu entfernen. Dies ist nicht erfolgt. Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 25.06.2019 wurden unter Punkt 22 weder die Wohnung des Klägers noch sein Name aufgeführt.

Der Kläger behauptet, es liege durch die Veröffentlichung seiner Daten ohne Einverständnis ein Verstoß gegen Art. 6 DSGVO vor. Der Kläger trägt vor, ihm sei ein immaterieller und materieller Schaden entstanden. Es liege eine Rufschädigung vor. Zudem habe ein potentieller Käufer seiner Wohnung aufgrund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt. Es bestehe eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissen Gewicht erfolgte Beeinträchtigung. Der Kläger begehrt eine Geldentschädigung von pauschal 7.000 € (70 x 100 €). Der Kläger ist insoweit davon ausgegangen, dass die Tagesordnung an 70 unterschiedliche Wohnungseigentümer übersandt worden ist. Der Kläger trägt weiter vor, der Beklagte zu 2) habe zudem den Verstoß in seiner Email vom 09.08.2019 eingeräumt und hafte deshalb auch aus diesem Schuldanerkenntnis. Der Kläger macht zudem weiteren Schadensersatz in Höhe von 300 € geltend. Seitens der Beklagten sei die Email-Adresse des Klägers unautorisiert an deren Prozeßbevollmächtigten weitergegeben worden. Insoweit liege ein abermaliger Verstoß gegen die DSGVO vor. Weiter sei im Klarsichtfeld eines Briefes des Beklagtenvertreters an den Kläger dessen E-Mail-Adresse sichtbar gewesen. Zudem begehrt der Kläger die Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe von 1.387,- € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 €.

Der Kläger beantragt,
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 8.687,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 16.8.2019 sowie nebst 729,23 EUR für außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

Der Beklagte zu 2) trägt vor, er sei als Datenschutzbeauftragter bereits nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Der Datenschutzbeauftragte handele im übrigen nicht als Kaufmann im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB, so dass im Hinblick auf ein etwaiges Anerkenntnis bereits die Schriftform fehle. Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, die Nennung der Wohnung des Klägers sowie seines Namens als Eigentümer sei datenschutzrechtlich zulässig. Es liege ein Fall des Art. 6 Abs. 1 b) und c) DSGVO vor. Es bestehe ein Anspruch anderer Wohnungseigentümer aus §§ 13, 14 WEG auf Information. Die Offenlegung der E-Mail-Adresse sei nach Art. 6 Abs. 1 c) und f) zulässig. Ein materieller und immaterieller Schaden sei bereits nicht substantiiert vorgetragen. Es liege zudem keine spürbare Beeinträchtigung vor. Es habe auch keine außergerichtliche Tätigkeit des Klägers vorgelegen.

Eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

1. Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Die Nennung der Wohnung des Klägers sowie die Nennung des Namens des Klägers als Eigentümer der Wohnung und auch die Nennung des KBE-Wertes stellen keinen Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO dar. Die Nennung erfolgte sowohl bei der Übersendung der Tagesordnung als auch in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung durch die Beklagte zu 1) als Verwalterin ausschließlich gegenüber den weiteren Wohnungseigentümern der streitgegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft. Es ist zwar nicht zutreffend, dass innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Datenschutzvorschriften nicht zur Anwendung kämen. Die Beklagte ist jedoch als Hausverwaltung vertraglich gegenüber den Eigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einer Hausverwaltung nachzukommen. Andere Wohnungseigentümer haben nach §§ 13, 14 WEG einen Anspruch darauf zu erfahren, in welchen Wohnungen eine Legionellenprüfung vorgenommen wird oder wurde und auch, ob es insoweit einen Legionellenbefall und in welchem Umfang gegeben hat oder nicht. Insoweit ist zunächst die Nennung der Wohnung und auch die Nennung der Prüfungsergebnisse zulässig. Die Nennung war hier sowohl in der Tagesordnung als auch in der Eigentümerversammlung als Grundlage für die „Aussprache und Beschlussfassung über weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ erforderlich und unabdingbar. Ohne Nennung der Zahl der Wohnungen, der konkreten Lage der jeweiligen Wohnung und des konkreten Befalls wäre eine Beurteilung und entsprechende Entscheidung in der Eigentümerversammlung nicht möglich gewesen. Nach Auffassung des Gerichts war hier auch die Nennung des Eigentümers aus den genannten Gründen zulässig. Im Hinblick auf die Finanzierung und im Hinblick auf weitergehende Maßnahmen war auch die Nennung der betroffenen Eigentümer erforderlich, gegebenenfalls auch zur Prüfung von Ausgleichsansprüchen gegenüber anderen Eigentümern. Damit lagen die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) vor.

2. Schadensersatzansprüche sind jedenfalls der Höhe nach ausgeschlossen.

a) Materielle Schäden wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Soweit der Kläger behauptet, ein potentieller Käufer seiner Wohnung habe auf Grund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt, nachdem er zunächst versucht habe, den Kaufpreis auf Grund des Legionellenbefalls zu reduzieren, stellt dies bereits nicht die Darlegung eines konkreten Schaden dar. Darüber hinaus scheidet hier ein Schaden bereits deshalb aus, weil der Kläger als Verkäufer einer Wohnung bei einem konkreten Legionellenbefall - wie vorliegend unstreitig gegeben - gegenüber dem Käufer seiner Wohnung aufklärungspflichtig wäre. Die durch Legionellen hervorgerufene Legionärskrankheit kann unbehandelt einen lebensgefährlichen Verlauf annehmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht dabei insbesondere beim Duschen. Von daher wäre es zudem unverantwortlich, den Legionellenbefall in der Wohnanlage nicht insbesondere den Mietern bzw. auch potentiellen Käufern zu offenbaren. Da der Kläger damit selbst aufklärungspflichtig wäre, kann ihm durch die Weitergabe von Informationen darüber hinaus kein Schaden entstehen.

b) Auch ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens steht dem Kläger nicht zu. Art. 82 Abs. 1 DSGVO sieht zwar eine Erstattungspflicht für immaterielle Schäden vor. Diese Pflicht ist auch nicht nur auf schwere Schäden beschränkt. Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 -324 S 9/19- juris). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlcihkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverst0ß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollzeihbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (Plath, Art. 82 DSGVO Rn. 4 c, d). Würde man hier einen Datenschutzverstoß durch den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkt bejahen, läge hiernach den genannten Kriterien kein Fall vor, der die Zuerkennung des Schmerzensgeldes rechtfertigen könnte. Bei der Nennung von Art und Höhe des Befalls handelt es sich um objektive Umstände. Eine erhöhte Kolizahl im Trinkwasser beruht zumeist auf fehlender Wasserzirkulation und Wassertemperaturen im Bereich von 25 bis 50 Grad Celsius. Die Ursache liegt also nicht in der Person des Wohnungseigentümers oder Mieters, sondern in der Regel in der Warmwasseraufbereitung und den Rohrsystemen der Wohnungseigentümeranlage. Die Weitergabe dieser objektiven Befunde an die anderen Wohnungseigentümer ist damit nicht geeignet, den Ruf des Eigentümers zu schädigen oder diesen gar bloßzustellen. Zudem wäre den Eigentümern im Hinblick auf die Wohnungsnummer eine Zuordnung zum Eigentümer durch die Teilungserklärung sowieso möglich.

II. 

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auf Grund der Weitergabe der E-Mail-Adresse an den Beklagtenvertreter keine Ansprüche zu.

Es liegt kein Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor. Die Beklagten haben in berechtigtem Interesse gehandelt. Der Kläger selbst hat wie sich aus dem Klagevortrag ergibt mit den Beklagten überwiegend per Email kommuniziert. Wie der Beklagtenvertreter zu Recht eingewandt hat, ist die E-Mail-Adresse des Klägers auch im Anwaltsportal zugänglich. Deshalb läge hier jedenfalls eine Bagatellverletzung vor, die nicht geeignet ist, Schadensersatzansprüche zu begründen.

Soweit der Kläger Ansprüche zudem auf die Sichtbarkeit der E-Mail-Adresse im Adressfeld des per Post übersandten Schreibens des Beklagtenvertreters stützt, sind hierfür nicht die Beklagten, sondern der Beklagtenvertreter verantwortlich, der vorliegend jedoch nicht in Anspruch genommen wurde.

III.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 2) kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

1. Der Beklagte zu 2) ist als Datenschutzbeauftragter nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Verantwortlicher für Verarbeitung von personenbezogenen Daten im datenschutzrechtlichen Sinne war bezüglich der Versendung der Tagesordnung nur die Beklagte zu 1). Soweit klägerseites der Verstoß auch auf die Nennung in der Wohnungseigentümerversammlung gestützt wurde, war auch hier nicht der Beklagte zu 2), sondern die Beklagte zu 1) verantwortlich.

2. Soweit sich der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) auf ein vermeintliches Schuldanerkenntnis in dessen E-Mail vom 09.08.2019 (Anlage K8) beruft, fehlt es hier bereits am Schriftformerfordernis. Auch § 350 HGB ist vorliegend nicht anwendbar. Der Beklagte zu 2) hat seine Kaufmannseigenschaft bestritten. Seitens der insoweit beweisbelasteten Klagepartei wurde weder dargelegt noch nachgewiesen, dass es sich bei dem behaupteten Schuldanerkenntnis auf der Seite des Schuldners, also des Beklagten zu 2), tatsächlich um ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB gehandelt hat.

3. Im übrigen kann bezüglich eines etwaigen Anspruchs des Klägers gegen den Beklagten zu 2) auf die Ausführungen unter Ziffer I Bezug genommen werden.

IV. Mangels Hauptanspruchs bestehen auch die geltend gemachten Nebenansprüche nicht. Eine außergerichtliche Tätigkeit des Klägervertreters wurde trotz Bestreitens der Beklagten im übrigen weder dargelegt noch nachgewiesen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Dem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 709 ZPO zugrunde.

Der Streitwert bemisst sich nach dem Klagebetrag.