EuGH-Vorlage: Datenschutz und richterliche Unabhängigkeit

Verwaltungsgericht Wiesbaden

Beschluss v. 28.03.2019 - Az.: C-272/19

Leitsatz

DSGVO-Vorlagefragen an den EuGH:

1. Findet die VERORDNUNG (EU) 2016/679 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) – hier Art. 15 DSGVO, Auskunftsrecht der betroffenen Person – auf den für die Bearbeitung von Eingaben von Bürgern zuständigen Ausschuss eines Parlaments eines Gliedstaates eines Mitgliedstaates – hier den Petitionsausschuss des Hessischen Landtages - Anwendung und ist dieser insoweit wie eine Behörde i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO zu behandeln?

2. Handelt es sich bei dem vorlegenden Gericht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV i.V.m. Art. 47 Abs. 2 CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION (GrCH) ?

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Das Verfahren wird gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union hinsichtlich der folgenden Fragen vorgelegt:

a) Findet die VERORDNUNG (EU) 2016/679 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) – hier Art. 15 DSGVO, Auskunftsrecht der betroffenen Person – auf den für die Bearbeitung von Eingaben von Bürgern zuständigen Ausschuss eines Parlaments eines Gliedstaates eines Mitgliedstaates – hier den Petitionsausschuss des Hessischen Landtages - Anwendung und ist dieser insoweit wie eine Behörde i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO zu behandeln?

b) Handelt es sich bei dem vorlegenden Gericht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV i.V.m. Art. 47 Abs. 2 CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION (GrCH) ?

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger begehrt Auskunft bzw. Akteneinsicht über die beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtages gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers, bezüglich der von ihm eingereichten und beschiedenen Petition 1728/18.

Artikel 16 (Hessische Verfassung) HV lautet:

Jedermann hat das Recht, allein oder gemeinsam mit anderen, Anträge oder Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu richten.

Der beklagte Präsident des Hessischen Landtages lehnt das Begehren auf Auskunft ab. Das Petitionsverfahren stelle eine parlamentarische Aufgabe des Hessischen Landtages dar, weshalb der Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung den Hessischen Landtag nicht erfasse.

So ist nunmehr in § 30 Abs. 1 HDSIG (Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Landtag und die kommunalen Vertretungsorgane) (siehe Artikel 1 „Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz“ im Hessischen Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit vom 3. Mai 2018 (GVBl. I S. 82) geregelt:

Mit Ausnahme der §§ 15 und 29 gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für den Landtag nur, soweit er in Verwaltungsangelegenheiten tätig wird, insbesondere wenn es sich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Landtags, die Personalverwaltung oder die Ausführung von gesetzlichen Vorschriften, deren Vollzug der Präsidentin oder dem Präsidenten des Landtags zugewiesen ist, handelt. Im Übrigen gibt sich der Landtag eine seiner verfassungsrechtlichen Stellung entsprechende Datenschutzordnung.

Insoweit findet § 112 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags vom 16. Dezember 1993 (GVBl. I S. 628), zuletzt geändert durch Beschluss des Landtags vom 18.01.2019 (GVBl. I S. 18) - GOHessLT -, Anwendung.

§ 112 Abs. 6 GOHessLT regelt:

(6) Die Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich nach der Datenschutzordnung des Hessischen Landtags, die der Geschäftsordnung als Anlage 4 beigefügt ist.

Die Datenschutzordnung des Hessischen Landtag vom 18. Januar 2014 (Anlage 4 GOHessLT) regelt in

§ 10 - Speicherung der Daten bei Petitionen

(1) Daten der Petentin oder des Petenten, der Gegenstand der Petition und Daten zum Stand der Behandlung der Petition im Geschäftsgang werden mit Mitteln elektronischer Datenverarbeitung in einer eigenen Datei gespeichert und verarbeitet.

(2) Die Petentin oder der Petent wird über die Tatsache der Speicherung in dem Schreiben informiert, das den Empfang der Petition bestätigt.

(3) Die Daten werden nur für den Zweck der Bearbeitung der Petition gespeichert.

(4) Die Daten in der Petitionsdatei dienen als Register für die Petitionsakten. Sie werden so lange gespeichert, wie die Petitionsakten aufbewahrt werden.

Die Richtlinien für den Umgang mit Verschlusssachen im Bereich des Hessischen Landtags - VS-Richtlinien Landtag 1986 - (Anlage 2 GO) regelt in

§ 13 Schutz von Privatgeheimnissen

(1) Soweit es der Schutz von persönlichen, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen erfordert, sind die Akten, sonstige Unterlagen und die Beratungen der Ausschüsse geheim zu halten. Dies gilt insbesondere für Steuerakten und Petitionen. Der Landtag oder die Ausschüsse können beschließen, dass die Privatgeheimnisse nach einem bestimmten Geheimhaltungsgrad (§ 3) zu behandeln sind. Im Übrigen findet § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 entsprechend Anwendung.

(2) Die Einsicht in solche Akten oder Unterlagen ist auf die Mitglieder des zuständigen Ausschusses beschränkt. Gleiches gilt für die Einsicht in Niederschriften der Ausschussberatungen über geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten im Sinne von Abs. 1. Der Ausschuss entscheidet über die Verteilung von Niederschriften.

Danach seien Petitionsakten und deren Daten auch gegenüber den Petenten geheim zu halten. Die Datenschutz-Grundverordnung vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S.1) bzw. die bis zum 24. Mai 2018 geltende Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31) treffe keine Aussagen zur Behandlung parlamentarischer Angelegenheiten.

Art. 4 Nr. 7 - Begriffsbestimmungen - DSGVO regelt:

„Verantwortlicher“ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Artikel 15 - Auskunftsrecht der betroffenen Person - DSGVO (in der bereinigten Fassung, ABl. 2018 Nr. L 127 S. 2) regelt:

(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:

a) die Verarbeitungszwecke;

b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;

c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;

f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;

g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

h) das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Artikel 22 Absätze 1 und 4 und — zumindest in diesen Fällen — aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

(2) Werden personenbezogene Daten an ein Drittland oder an eine internationale Organisation übermittelt, so hat die betroffene Person das Recht, über die geeigneten Garantien gemäß Artikel 46 im Zusammenhang mit der Übermittlung unterrichtet zu werden.

(3) Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.

(4) Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.

Das Land Hessen hat durch das Hessische Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit vom 3. Mai 2018 (GVBl. Nr. 6 vom 9. Mai 2018, S. 82), mit Art. 1 das Hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) geschaffen.

Mit dem Verweis in § 30 Abs. 1 HDSIG auf die Datenschutzordnung des Hessischen Landtages wäre damit eine Auskunftsverweigerung zulässig, wenn § 13 VS-Richtlinien Landtag 1986 Anwendung finden würde. Dies wäre nur der Fall, wenn der Petitionsausschuss nicht unter die Datenschutzgrundverordnung fallen würde.

Der Kläger hat gegen die verweigerte Auskunft vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden am 22.03.2013 Klage erhoben. Der Versuch, die Auskünfte über die Ministerien, die an dem Petitionsverfahren beteiligt waren, zu erhalten und das Begehren des Klägers damit zu befriedigen, scheiterte. Dies mit der Folge, dass das Verfahren am 29.07.2015 wieder aufgenommen wurde und der Kläger sein Ziel auf Auskunft gegenüber dem Hessischen Landtag - Petitionsausschuss - weiter verfolgt.

Die Klage hätte Erfolg, wenn das nationale Recht des Hessischen Landtages dem Auskunftsbegehren nicht entgegensteht. Es geht daher vorliegend um die Auslegung des Anwendungsbereichs der DSGVO, mithin um Europarecht.

Auf Grund der in Deutschland gegebenen Organisation der Gerichtsbarkeit der Verwaltungsgerichte stellt sich jedoch die Frage, ob das vorlegende Gericht überhaupt als ein Gericht i.S.v. Art. 267 Abs. 2 AEUV handelt.

Nach Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION (GrCH) hat jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

Die Hessische Verfassung (HV) enthält einzelne Normen zur rechtsprechenden Gewalt.

Artikel 126 HV lautet:

Die rechtsprechende Gewalt wird ausschließlich durch die nach den Gesetzen bestellten Gerichte ausgeübt.

Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

Artikel 127 HV lautet:

Die planmäßigen hauptamtlichen Richter werden auf Lebenszeit berufen.

Auf Lebenszeit berufen werden Richter erst dann, wenn sie nach vorläufiger Anstellung in einer vom Gesetz zu bestimmenden Bewährungszeit nach ihrer Persönlichkeit und ihrer richterlichen Tätigkeit die Gewähr dafür bieten, dass sie ihr Amt im Geiste der Demokratie und des sozialen Verständnisses ausüben werden.

Über die vorläufige Anstellung und die Berufung auf Lebenszeit entscheidet der Justizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG) trifft in Artikel 92 GG die Regelung:

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

Artikel 97 GG lautet:

(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.

(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.

Im Deutschen Richtergesetz ist die Dienstaufsicht geregelt:

§ 26 DRiG - Dienstaufsicht - lautet:

(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

(2) Die Dienstaufsicht umfasst vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.

(3) Behauptet der Richter, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

Hessisches Richtergesetz (HRiG) regelt in § 2 HRiG - Entsprechende Geltung des Beamtenrechts -:

Soweit das Deutsche Richtergesetz und dieses Gesetz nichts anderes bestimmen, gelten für die Rechtsverhältnisse der Richter die Vorschriften für die Beamten des Landes entsprechend.

§ 2b HRiG - Dienstliche Beurteilung - lautet:

Die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Richter regelt das Ministerium der Justiz durch Richtlinien.

§ 3 HRiG - Ernennung der Richter - lautet:

Die Richter werden vom Minister der Justiz ernannt.

Die Verwaltungsgerichtsordnung normiert in § 1 VwGO [Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte]:

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte Gerichte ausgeübt.

§ 18 VwGO [Richter auf Zeit] lautet:

Zur Deckung eines nur vorübergehenden Personalbedarfs kann ein Beamter auf Lebenszeit mit der Befähigung zum Richteramt für die Dauer von mindestens zwei Jahren, längstens jedoch für die Dauer seines Hauptamts, zum Richter auf Zeit ernannt werden. § 15 Absatz 1 Satz 1 und 3 sowie Absatz 2 des Deutschen Richtergesetzes ist entsprechend anzuwenden.

§ 38 VwGO [Dienstaufsicht; Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde] lautet:

(1) Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.

(2) Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.

§ 39 VwGO [Verwaltungsgeschäfte] lautet:

Dem Gericht dürfen keine Verwaltungsgeschäfte außerhalb der Gerichtsverwaltung übertragen werden.

Das Hessische Ministerium der Justiz hat als oberste Landesbehörde die Fachaufsicht über die Gerichte und Justizbehörden. Es regelt mit einer Geschäftsordnung die Organisation und die Dienstordnung der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, des Hessischen Finanzgerichts sowie der Staatsanwaltschaften (Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften (GO). RdErl. d. HMdJ vom 04.12.2017 (1463 - I/B1 - 2017/3732 - I/A) – JMBI. 2018 S. 113 –). Abweichungen und Ergänzungen trifft für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Leitung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes im Benehmen mit dem Hessischen Ministerium der Justiz.

Die Innenrevision und Geschäftsprüfung erfolgt auf der Basis eines Erlasses des Ministeriums der Justiz für das Ministerium durch das Obergericht (Innenrevision und Geschäftsprüfung für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums der Justiz, Runderlass vom 15. November 2017, JMBl. 2018, S. 69).

II.

Der Rechtsstreit, der dem Einzelrichter übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 VwGO), ist gemäß § 94 VwGO auszusetzen.

Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den im Beschluss formulierten Fragen einzuholen. Vorliegend geht es um die Auslegung der Datenschutzgrundverordnung und der Grundrechtecharta. Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig.

1.

Dem Kläger stünde gegenüber dem Hessischen Landtag ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu, wenn der Petitionsausschuss des hessischen Landtages unter den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 DSGVO fallen und es sich bei ihm um eine „Behörde“ i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO handeln würde.

Gemäß Art. 15 DSGVO hat jeder nach Maßgabe der Datenschutzgrundverordnung ein Recht auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Dieser Anspruch besteht gegenüber dem Verantwortlichen und damit gegenüber „Behörden“ als datenverarbeitende Stellen.

Die Datenschutzgrundverordnung führt in der Definition des Verantwortlichen die Behörde oder Einrichtung auf, enthält aber keine ausdrückliche Definition des Begriffs der Behörde. Es wird nur zwischen Behörden und Justizbehörden unterschieden. Allerdings kennt die Verordnung auch „unabhängige Verwaltungsbehörden“ (Erwägungsgrund 31) und nutzt weitere Behördenbegriffe, die allerdings alle von dem Oberbegriff „Behörde“ erfasst sind: Aufsichtsbehörden, Zollbehörden, Strafverfolgungsbehörden, Gesundheitsbehörden, Datenschutzbehörden, Datenschutzaufsichtsbehörden, Regulierungsbehörden, Finanzaufsichtsbehörden und Verwaltungsbehörden.

Für das Verständnis des Behördenbegriffs durch die Datenschutzgrundverordnung und des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes ist auch nicht auf die mitgliedstaatlichen Vorgaben des § 1 Abs. 1 HVwVfG zurückzugreifen, weil es gerade an einem ausdrücklichen Verweis auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts fehlt. § 1 Abs. 3 HDSIG regelt vielmehr, dass die Vorschriften des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes denen des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgehen, soweit bei der Ermittlung des Sachverhalts personenbezogene Daten verarbeitet werden.

Das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz kann nicht herangezogen werden. Darüber hinaus enthalten die Datenschutzgrundverordnung und das ergänzende HDSIG eigenständige Verfahrensregelungen, so wird nach Art. 15 DSGVO ein eigenständiger materiell rechtlicher Auskunftsanspruch gewährt. Mithin sind Begrifflichkeiten in EU-Rechtsakten autonom zu bestimmen.

Die Verwendung des Behördenbegriffs kann entweder organisatorisch-institutionell oder funktionell erfolgen. Unter Heranziehung des Art. 4 Nr. 7 DSGVO i.V.m. § 30 Abs. 1 S. 1 HSDIG ist davon auszugehen, dass der Behördenbegriff im Rahmen dieser Regelungen im funktionellen Sinne zu verstehen ist, da § 30 Abs. 1 HSDIG die Anwendbarkeit des HSDIG und damit der DSGVO davon abhängig macht, welche Aufgabe der Hessische Landtag jeweils wahrnimmt (Gesetzgebung / Verwaltung). Danach sind Behörden alle öffentlichen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Mithin ist der Hessische Landtag eine Behörde, wenn er Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

Art. 4 Nr. 7 DSGVO verwendet neben dem Begriff der Behörde auch den der „Einrichtung“ und „andere Stelle“. Das Merkmal der Stelle ist durch eine Eigenständigkeit in der Organisation gekennzeichnet und davon, dass sie vom Wechsel der Amtsinhaber unabhängig ist sowie unter eigenem Namen eigenständige Aufgaben wahrnimmt. Bei dem Petitionsausschuss des Hessischen Landtages handelt es sich auch um eine eigenständige Stelle, also eine Behörde im organisationsrechtlichen Sinne.

Denn Entscheidend ist, ob die Aufgaben der Stelle dem Bereich der öffentlichen Verwaltung unterliegen. Eine positive Umschreibung der Verwaltung ist nicht möglich, eine Bestimmung lässt sich nur in Abgrenzung von den anderen Staatsfunktionen ermitteln. Folglich ist die Verwaltung dem Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgend gegenüber der Legislative (Gesetzgebung) sowie der Judikative (Rechtsprechung) abzugrenzen. Danach ist die Verwaltung die Tätigkeit außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung. Legislative Aufgabe des Parlaments ist die Aufgabe der Gesetzgebung, wie dies in Erwägungsgrund 41 hinsichtlich der Schaffung von Rechtsgrundlagen ausdrücklich klargestellt wird. Rechtsetzung ist insoweit die rechtsetzende Tätigkeit von Gesetzgebungsorganen, hier dem Hessischen Landtag, nicht aber des Petitionsausschusses.

Die Prüfungs- und Beratungsaufgabe des Petitionsausschusses des Hessischen Landtages stellt weder eine Tätigkeit der Rechtsprechung noch der Gesetzgebung dar. Allerdings hat der Petitionsausschuss die Befugnis, sich über den der Petition zugrunde liegenden Sachverhalt alle diejenigen Informationen von der Exekutive zu beschaffen, derer er bedarf, um die Petition sachgemäß behandeln zu können.

Nach Art. 16 HV (wortgleich mit Art. 17 GG) kann sich jedermann schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung, aber auch an jede andere hessische Verwaltungsbehörde wenden, wobei ein Anspruch auf begründeten Bescheid in angemessener Zeit besteht. Dieses Petitionsrecht gewährleistet den freien Zugang zu der Volksvertretung und allen Behörden des Landes und begründet eine Behandlungspflicht des Parlaments bzw. der Verwaltungsbehörde mit dem Anliegen. Der Petent hat danach einen Anspruch auf Entgegennahme seiner Petition, sachliche Prüfung seines Anliegens und begründete Bescheidung innerhalb angemessener Frist. Über den Bescheidungsanspruch hinaus gewährleistet Art. 16 HV indes keinen Anspruch auf Erfüllung des mit der Petition verfolgten Anliegens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1992, NJW 1992, 3033 [3033]).

Bereits nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung hat der Hessische Landtag in der Regel keine eigene Abhilfebefugnis und kann daher nicht selbst über das Anliegen entscheiden, sondern nur politischen Einfluss ausüben, Lösungen anregen und die Staatsregierung oder die Verwaltung um Abhilfe ersuchen. Darüber hinaus gebietet Art. 16 HV nur, dass die angerufene Volksvertretung - hier: der Petitionsausschuss - über die Petition entscheidet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1992, NJW 1992, 3033 [3033]).

Auch der Umstand, dass der Petitionsausschuss ein Unterglied des Hessischen Landtages und somit eines gesetzgebenden Organs ist, führt nicht automatisch zu einer entsprechenden Zuordnung des Petitionsausschusses zur rechtsetzenden Tätigkeit und damit dem Parlament als Legislative. Wie dargelegt, deckt sich das Tätigkeitsfeld des Petitionsausschusses nicht mit den Aufgaben des Hessischen Landtages (vgl. Art. 116 ff. HV), die ihm seine Charakteristik als Legislativorgan verleihen, da seine Tätigkeit zum einen keinen verbindlichen Charakter aufweist und zum anderen kein Initiativ- oder Gestaltungsrecht des Petitionsausschusses besteht. Sein Tätigwerden ist stets von der Eingabe des Bürgers und dem Inhalt des Begehrens abhängig. Gleiches gilt für Petitionen an Behörden. Insoweit ist ein Unterschied des Petitionsrechts zwischen Behörden und dem Hessischen Landtag nicht gegeben.

Da es an einer gesetzesübergreifenden allgemeinen Inhaltsbestimmung des Rechtsbegriffs der Behörde und damit der Verwaltung fehlt, muss dieser vorliegend im Einzelfall bestimmt werden. Diese Bestimmung erfolgt auf das maßgebliche Normverhältnis bezogen. Dabei ist vorliegend von einem weiten Verständnis der Verwaltung und damit zu einem umfassenden Behördenbegriff auszugehen. Hierfür spricht auch, dass die Datenschutzgrundverordnung etwa anders als die Richtlinie 2003/4/EG (Umweltinformations-Richtlinie) in ihrem Art. 2 Nr. 2 Einrichtungen mit gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft gerade nicht ausnimmt (hierzu EuGH, Urteil vom 14.02.2012, C-204/09 – Flachglas Torgau, ECLI:EU:C:2012:71, dort insb. Rn. 40-44).

Damit kommt dem Regelungsziel der Datenschutzgrundverordnung die entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der „Behörde“ und damit der öffentlichen Verwaltung eine entscheidende Bedeutung zu. Nach Art. 3 Abs. 1 DSGVO findet die Verordnung Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Tätigkeit des Verantwortlichen. Insoweit unterscheidet sich der Petitionsausschuss des hessischen Landtags in keiner Weise von einer „Verwaltungs“- Behörde (Datenschutzbehörden, Datenschutzaufsichtsbehörden, Regulierungsbehörden, Finanzaufsichtsbehörden), was die Petition eines Betroffenen betrifft.

Im Übrigen wird die Vertraulichkeit des Petitionsverfahrens auch nicht dadurch berührt, dass Bestandteile der Akten des Petitionsausschusses in anderen Ausfertigungen öffentlich zugänglich gemacht werden (zum Auskunftsanspruch nach dem IFG, siehe VG Berlin, Urteil vom 22.04.2010, Az. 2 K 98.09; BVerwG, Urteil vom 03.11.2011, Az. 7 C 4/11).

Durch die Datenschutzgrundverordnung sollen die Rechte des Betroffenen und damit die Persönlichkeitsrechte und die Selbstbestimmung des Bürgers gestärkt werden. Warum der Umgang personenbezogener Daten eines Petenten, der sich mit einer Petition nach Art. 16 HV an eine Behörde wendet, der Datenschutzgrundverordnung und damit einem vollen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO unterliegt, eine Petition an den Petitionsausschuss des Hessischen Landtages aber gerade nicht, erschließt sich aus sachlichen Gesichtspunkten des Petitionsrechts nicht. Dies mit der Folge, dass das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass es sich bei dem Petitionsausschuss des hessischen Landtages um eine Behörde (Stelle) im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO handelt. Dementsprechend stehen Versagungsgründe einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO nicht entgegen.

Dies mit der weiteren Folge, dass das vorlegende Gericht als „europäisches Gericht“ die entgegenstehenden Normen, § 30 HDSIG, § 10 Datenschutzordnung des Hessischen Landtags vom 18. Januar 2014 (Anlage 4 GOHessLT) und § 13 der Richtlinien für den Umgang mit Verschlusssachen im Bereich des Hessischen Landtags - VS-Richtlinien Landtag 1986 - (Anlage 2 GOHessLT) für das vorliegende Auskunftsbegehren des Klägers nicht anzuwenden hat, da diese Regelungen gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen. Insbesondere ist § 13 der VS-Richtlinie 1986 mit Art. 15 DSGVO nicht vereinbar.

Das Gericht mag vorliegend auch keine Beschränkung nach Art. 23 DSGVO zu erkennen. Zumindest hat der Gesetzgeber auf einen möglichen Tatbestand der Beschränkung der Rechte des Betroffenen gerade nicht abgestellt. In der Gesetzesbegründung ist insoweit lediglich unter „zu § 30 (Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Landtag und die kommunalen Vertretungsorgane) ausgeführt: „die Vorschrift über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Landtag und die kommunalen Vertretungsorgane übernimmt die bisherige Regelung des § 39 HDSG“ (LT-Drs. 19/05728, S. 113). Mithin lässt die Begründung in keinster Weise erkennen, dass auf einen Beschränkungstatbestand Bezug genommen werden soll.

2.

Der Gerichtshof stellt nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung einer rein unionsrechtlichen Frage darauf ab, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt. Dabei wird auf eine Reihe von Merkmalen abgestellt, wie z. B. die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie ihre Unabhängigkeit (vgl. u. a. Urteile vom 17. Juli 2014, Torresi, C-58/13 und C-59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 17, sowie vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme, C-203/14, EU:C:2015:664, Rn. 17).

Dabei ist zu klären ob eine nationale Einrichtung, die nach dem Gesetz mit Aufgaben unterschiedlichster Art betraut ist, als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV zu qualifizieren ist. Erforderlich ist es daher die spezifische Natur der gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Aufgaben zu untersuchen, die die vorlegende Stelle in dem konkreten normativen Kontext ausübt und in dem sie sich zur Anrufung des Gerichtshofs veranlasst sieht, um zu überprüfen, ob bei der Einrichtung ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden hat, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C-58/13 und C-59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Das Erfordernis der Unabhängigkeit umfasst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zwei Aspekte.

Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Einrichtung ihre Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten (vgl. Urteile vom 17. Juli 2014, Torresi, C-58/13 und C-59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 22, sowie vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme, C-203/14, EU:C:2015:664, Rn. 19), wodurch sie vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreitigkeiten gefährden könnten (vgl. Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, EU:C:2006:587, Rn. 51, vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30, sowie vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme, C-203/14, EU:C:2015:664, Rn. 19); EuGH, Urteil vom 16.02.2017, Ramón Margarit Panicello, Az. C-503/15, EU:C:2017:126, Rn. 37).

Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der Unparteilichkeit in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (vgl. u. a. Urteile vom 19. September 2006, Wilson, C-506/04, EU:C:2006:587, Rn. 52, vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31, und vom 6. Oktober 2015, Consorci Sanitari del Maresme, C-203/14, EU:C:2015:664, Rn. 20; EuGH, Urteil vom 16.02.2017, Ramón Margarit Panicello, Az. C-503/15, EU:C:2017:126, Rn. 38).

a)

Beginnend mit der Unparteilichkeit ist festzustellen, dass die nationale Verfassungslage nur die funktionale richterliche Unabhängigkeit, nicht aber eine institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte gewährleistet (Art. 126 Abs. 2 HV, Art. 97 Abs. 1 GG; so ausdrücklich Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Stellungnahme vom 15.1.2016, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/5457, S. 2). Dies findet seinen Ausdruck darin, dass die Richter und damit auch der Richter des vorlegenden Gerichts, von der Ministerin/dem Minister des hessischen Ministeriums der Justiz ernannt und befördert werden (§ 3 HRiG - Ernennung der Richter -), seine Beurteilung durch das hessische Ministerium der Justiz geregelt wird (§ 2b HRiG) und im Übrigen die Regelungen des Beamtenrechtes auf die Richter Anwendung finden.

Dies mit der Folge, dass die Personalgrundakten eines jeden Richters beim Hessischen Ministerium der Justiz geführt werden und das hessische Ministerium der Justiz Richter in dem Personalverwaltungssystem SAP HR teilweise als Beamte führt. Auslandsdienstreisen eines Richters, z.B. im Rahmen von EJTN, müssen von dem Ministerium angeordnet werden.

Nach § 18 VwGO [Richter auf Zeit] können, zur Deckung eines nur vorübergehenden Personalbedarfs, Beamte auf Lebenszeit mit der Befähigung zum Richteramt für die Dauer von mindestens zwei Jahren, längstens jedoch für die Dauer seines Hauptamts, zum Richter auf Zeit ernannt werden. Anschließend kehren sie in die Verwaltung zurück. Dies soll in der ersten Instanz der Verwaltungsgerichte in außergewöhnlichen Situationen einen vorübergehend erhöhten Personalbedarf decken und mit dem Grundgesetz, welches einen unabhängigen Richter fordert, vereinbar sein (BVerfG, Entscheidung vom 18.05.2018, 2 BvR 780/16, BVerfG:2018:rs20180322.2bvr078016). Dabei kann der Richter auf Zeit auch aus einer Behörde kommen, die regelmäßig bei Gericht auf der Beklagtenseite vertreten ist.

Bezüglich der Unabhängigkeit ist jedoch auch die Art und Weise der Bestellung der Mitglieder eines Gerichtes zu berücksichtigen (u. a. werden berücksichtigt die Art und Weise der Bestellung der Mitglieder des Gerichts, die Dauer ihres Mandats oder ihre Unabsetzbarkeit, vgl. insoweit insbesondere EGMR, 18. Juli 2013, Maktouf und Damjanović/Bosnien-Herzegowina, ECLI:CE:ECHR:2013:0718JUD000231208). Dies dürfte jedoch zumindest bei Richtern auf Zeit mehr als fraglich sein.

Hinzu kommt, dass durch das Ministerium der Justiz (die Hessische Landesregierung) die dienstlichen Kontaktdaten aller Richter in einem Personalinformationssystem der Hessischen Landesregierung (Mitarbeiterportal) mit mindestens der Bezeichnung der Dienststelle, dienstlichen Telefonnummer und E-Mailadresse eingestellt werden. So, dass alle hessischen Verwaltungsbehörden (im Gerichtsverfahren als Kläger und Beklagte auftretend) auf diese Daten zugreifen können.

In dem Vertragsverletzungsverfahren Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Richtlinie 95/46/EG hat sich der EuGH mit der Frage, was völlige Unabhängigkeit bedeutet auseinander gesetzt und ausgeführt:

„Entgegen dem Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland deutet nichts darauf hin, dass das Unabhängigkeitserfordernis allein das Verhältnis zwischen den Kontrollstellen und den ihrer Kontrolle unterstellten Einrichtungen beträfe. Im Gegenteil wird der Begriff „Unabhängigkeit“ durch das Adjektiv „völlig“ verstärkt, was eine Entscheidungsgewalt impliziert, die jeglicher Einflussnahme von außerhalb der Kontrollstelle, sei sie unmittelbar oder mittelbar, entzogen ist“ (EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 19).

Es stellt sich daher die Frage, ob Richter, die von dem Justizminister oder der Justizministerin ernannt und befördert wird, welcher ferner auch über den Umgang mit seinen Personaldaten auch hinsichtlich einer Veröffentlichung seiner Kontaktdaten (und sei es nur innerhalb des Landes Hessen) entscheidet, zumindest bei Verfahren, an denen das Hessische Ministerium der Justiz Beteiligter ist (Beamtenstreitigkeiten, Konkurrentenstreitverfahren usw.), über eine vollständige Unabhängigkeit verfügen und ohne jeglicher Einflussnahme entscheiden können, und sei dies nur, weil sie sich auf eine Beförderungsstelle beworben haben, über die letztendlich wiederum das Justizministerium entscheidet. Hier kann eigentlich nichts anderes gelten, als zu der Richtlinie 95/46/EG bezüglich der Datenschutzaufsichtsbehörden entschieden worden ist – vielmehr müssen die in der Entscheidung für eine Behörde aufgestellten Maßstäbe erst recht für die Gerichtsbarkeit und damit für die Gerichte gelten (vgl. in diesem Sinne Generalanwalt Bobek, ECLI:EU:C:2018:29, Rn. 32f).

Die Gerichte sind insoweit nur funktionell unabhängig, als nur ihre Richter unabhängig und nur diese dem Gesetz unterworfen sind (Art. 126 HV). Doch reicht eine solche funktionelle Unabhängigkeit für sich allein nicht aus, um ein Gericht vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren (in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 16.10.2012, Europäische Kommission gegen Republik Österreich, C-614/10, EU:C:2012:631, Rn. 42). Denn die Unabhängigkeit soll nicht nur die unmittelbare Einflussnahme in Form von Weisungen ausschließen, sondern auch sicherstellen, dass sie einer äußeren Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, entzogen sein müssen, die Entscheidungen steuern könnten und die zur Steuerung der Entscheidungen des Gerichts geeignet wäre (EuGH, Urteil vom 16.10.2012, Europäische Kommission gegen Republik Österreich, C-614/10, EU:C:2012:631, Rn. 43, 41).

In Deutschland ist allerdings nur die Richter funktionell unabhängig (Ministerium für Justizkultur und Europa (alter Titel), Stellungnahme vom 15.1.2016, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/5457, S. 2). Im Übrigen obliegen die Richter, und erst recht das Gericht, der äußeren Einflussnahme. Entscheidet doch letztendlich das Ministerium der Justiz über die Anzahl der Richter und die Planstellen eines jeden Gerichtes. Dies ebenso, wie es über das sog. nichtrichterliche Personal entscheidet, welches zumindest faktisch der Exekutive zugerechnet wird. Auch entscheidet letztendlich das Ministerium über die Ausstattung eines Gerichtes u.a. mit EDV und Anwendungsprogrammen (siehe nur die Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften - GO).

b)

Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Einrichtung ihre Funktionen in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein. Die Anknüpfung der Gerichte an das Hessische Ministerium der Justiz hat damit aber zur Folge, dass das Gericht seine Funktionen nicht in völliger Autonomie ausüben kann, da es letztendlich mit einer Stelle (Präsident des Verwaltungsgerichts als Dienstaufsichtsbehörde und damit als weisungsgebundener Behördenchef des Ministeriums, ebenso wie der Geschäftsleiter), hierarchisch mit dem Ministerium verbunden und diesem damit untergeordnet ist. Dies auch dann, wenn es von keiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen erhält.

Bezüglich der unabhängigen Aufsichtsbehörden im Bereich des Datenschutzes hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass die Kontrollstellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben objektiv und unparteiisch vorgehen müssen. Hierzu müssen sie vor jeglicher Einflussnahme von außen einschließlich der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme des Bundes oder der Länder sicher sein und nicht nur vor der Einflussnahme seitens der kontrollierten Einrichtungen (EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 19). Dies müsste auch für die Gerichte gelten. Auch die Gerichte dürften bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben keinerlei Einfluss und Weisungen unterliegen (EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 28). Dies gilt nicht nur bei der eigentlichen Rechtsprechung (Entscheidungsfindung), sondern auch auf dem Weg zu einer Entscheidungsfindung; also bei der Organisation der Gerichte, den Verfahrensabläufen und der eingesetzten Technik usw..

Alles das ist nicht der Fall. Die äußere und innere Organisation wird vom Ministerium mit der Geschäftsordnung für die Gerichte und Staatsanwaltschaften – GO - und anderen Rechtsakten vorgeben. Das Ministerium bestimmt mit einem zentralen Dienstleister, der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD - ein Eigenbetrieb des Hessischen Ministeriums der Finanzen) die Kommunikationswege (Telefon, Fax, Internet und mehr) und die EDV-Ausstattung mit dem sog. Hessen-PC, der für die Verwaltung konzipiert ist. Auch wartet letztendlich die HZD alles, mit der Folge, dass die Verwaltung auf alle Daten der Gerichte letztendlich zugreifen kann, auch wenn sie es in der Praxis vielleicht nicht tut. Damit sind die Gerichte nicht - wie die Kontrollstellen nach der Richtlinie 95/46/EG - mit der Unabhängigkeit ausgestattet, die es ihnen ermöglichen sollte, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen (EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 30).

Die „Unabhängigkeit schließt nicht nur jegliche Einflussnahme seitens der kontrollierten Stellen aus, sondern auch jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen“ (EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 30). Selbiges muss auch für eine unabhängige Gerichtsbarkeit gelten, soll sie doch im Rahmen des Rechtstaatsgefüges Recht sprechen und damit Rechtsfrieden bewirken und im Demokratiegefüge eine „Dritte Gewalt“ sein.

Es lässt sich aber gerade nicht ausschließen, dass die Gerichte, die mit Ausnahme der „unabhängigen Richter“ Teil der allgemeinen Staatsverwaltung und damit der Regierung des jeweiligen Landes unterstellt sind, nicht zu objektivem Vorgehen in der Lage sind, wenn sie nationale und europäische Normen auslegen und anwenden (in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 34). Dies zeigt sich schon daran, dass die Gerichte entgegen der Datenschutzgrundverordnung über keine eigenständige Datenschutzkontrolle verfügen, da der wesentliche Teil der Datenverarbeitung durch das Ministerium, der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle - eine Mittelbehörde im Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums gem. § 1 Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten vom 16.12.2011, GBVl. I S. 778) bzw. der HZD vorgegeben werden, ohne, dass ein Gericht wirksamen Einfluss darauf hat (vgl. Erwägungsgrund 20 DSGVO). Denn die justizielle Tätigkeit wird nicht nur durch das auszusprechende Urteil ausgeübt, sondern bezieht sich auf den gesamten Verfahrensverlauf eines gerichtlichen Verfahrens, von Eingang einer Klage/eines Antrages bis zur Erledigung durch Zustellung des Urteils/des Beschlusses.

Bereits die bloße Gefahr einer politischen Einflussnahme auf die Gerichte (durch Ausstattung, Personalzuweisung usw. durch das Justizministerium) kann eine Gefahr des Einflusses auf die Entscheidungen der Gerichte um deren unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinträchtigen bewirken (dies schon durch einen vermeintlichen Erledigungsdruck über eine vom Ministerium betriebene Belastungsstatistik Pebbsy, die über eine tatsächliche Belastung der Richte nur spärlich etwas aussagt, wenn man die Zeitvorgaben der durchschnittlichen Erledigung für Gerichtsentscheidungen als Ministerium selbst bestimmt und bestimmte Verfahren die ebenfalls zu bearbeiten sind, in der Statistik erst gar nicht erfasst – z.B. bei Kostenerinnerungen). Zum einen kann es hier einen „vorauseilenden Gehorsam“ der Gerichte/Richter im Hinblick auf die Entscheidungspraxis und Verfahrensgestaltung (Erledigungsdruck) geben. Zum anderen erfordert es aber die Rolle der Gerichte als Hüter des Rechts, dass ihre Entscheidungen, also sie selbst, über jeglichen Verdacht der Parteilichkeit erhaben sind (in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 09.03.2010, Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Az. C-518/07, EU:C:2010:125, Rn. 36) und bei der Entscheidungsfindung nicht unter Druck gesetzt werden dürfen.

Nach alledem dürfte das vorlegende Gericht die europarechtlichen Vorgaben nach Art. 47 Abs. 2 GrCH eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts nicht in diesem Sinne erfüllen.

III.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.