Datenschutzbestimmungen sind keine Grundlage für wettbewerbsrechtliche Abmahnung
Leitsatz
Datenschutzbestimmungen sind keine Grundlage für wettbewerbsrechtliche Abmahnung
Tenor
1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19.08.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Belieferung mit Gas.
Die Antragstellerin macht, soweit in der Berufungsinstanz von Interesse, einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit der Nutzung von Daten zu Werbezwecken beim Versand eines Werberundschreibens entsprechend dem nachstehend wiedergegebenen Schreiben vom 27.06.2011 (Anlage A) geltend, das sich gezielt an zuvor von der Antragstellerin abgeworbene Kunden mit dem Ziel der Kundenrückgewinnung richtete:
[...]
Die Antragstellerin hat in der ersten Instanz beantragt,
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es ab sofort zu unterlassen, geschäftlich handelnd
a) ehemalige eigene Kunden zum Zwecke der Werbung anzuschreiben, wenn die Antragsgegnerin hierbei die Information nutzt, dass diese Kunden zur Antragstellerin gewechselt sind und eine Einwilligung der angeschriebenen Verbraucher in die Nutzung dieser Information nicht vorliegt, insbesondere wenn dies wie aus Anlage A ersichtlich geschieht;
b) gegenüber Bestandskunden der Antragstellerin, die zum Zeitpunkt der Werbung seit weniger als 12 Monaten Gas im Tarif "M. GasFix direkt" erhalten, zu behaupten, der ab dem 01.08.2011 in diesem Tarif gültige Arbeitspreis sei 6,34 ct/kWh, wenn dies wie in Anlage A geschieht;
c) zu behaupten, der von einer Preiserhöhung betroffene Kunde der Antragstellerin könne seine Mehrbelastung durch einen Wechsel zur Antragsgegnerin abmildern, wenn dies wie in Anlage A geschieht.
2. [Ordnungsmittelandrohung bezüglich Ziffer 1.].
Die Antragsgegnerin hat in der ersten Instanz beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Endurteil vom 19.08.2011 (veröffentlicht in BeckRS 2011, 23406) abgelehnt.
Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die beschränkt eingelegte Berufung der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19.08.2011 - 3 HKO 2827/11 - wird teilweise abgeändert.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es ab sofort zu unterlassen, geschäftlich handelnd ehemalige eigene Kunden zum Zwecke der Werbung anzuschreiben, wenn die Antragsgegnerin hierbei die Informationen nutzt, dass diese Kunden zur Antragstellerin gewechselt sind und eine Einwilligung der angeschriebenen Verbraucher in die Nutzung dieser Informationen nicht vorliegt, insbesondere wenn dies wie aus Anlage A ersichtlich geschieht;
3. [Ordnungsmittelandrohung bezüglich Ziffer 2.].
Die Antragsgegnerin beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2012 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.
1. Der Antragstellerin steht der nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht zu.
a) Allerdings ist die Antragstellerin als Mitbewerberin der Antragsgegnerin für den geltend gemachten Verfügungsanspruch aktivlegitimiert (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, die beide Letztverbraucher mit Gas beliefern, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG).
b) Die Nutzung von Daten, die sich auf ehemalige Kunden der Antragsgegnerin beziehen, für das Werbe(rund)schreiben (vgl. Anlage A, Anlage ASt 2, Anlage B 13), stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
c) Bei § 4, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG handelt es sich indes nicht um gesetzliche Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.
aa) Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die betreffende Vorschrift muss jedenfalls auch die Funktion haben, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (vgl. BGH GRUR 2010, 654, Rn. 18 - Zweckbetrieb; BGH GRUR 2006, 872, Rn. 15 - Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern). Eine Marktbezogenheit im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG liegt nur dann vor, wenn die Vorschrift, gegen die der Wettbewerber bei seinem geschäftlichen Handeln verstößt, eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aufweist (Vgl. BGH GRUR 2010, 654, Rn. 23 - Zweckbetrieb). Ob eine Vorschrift einen derartigen Marktbezug hat, ist unter Heranziehung des Gesetzeszwecks zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2007, 162, Rn. 12 - Mengenausgleich in Selbstentsorgergemeinschaft).
Zweck des Bundesdatenschutzgesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (§ 1 Abs. 1 BDSG). Diese Zwecksetzung steht im Einklang mit Art. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.09.2003 geänderten Fassung. Gemäß dem in § 4 Abs. 1 BDSG statuierten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 4, Rn, 3). Neben dem genannten Zweck ist dem Bundesdatenschutzgesetz ein weiterer - sei es auch nur sekundärer - Zweck, das Werbeverhalten von Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln bzw. gleiche Voraussetzungen für werbende Unternehmen zu schaffen, nicht zu entnehmen.
Das Datenschutzrecht ist Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und schützt ganz allgemein diese Individualrechtsposition (von Walter, Rechtsbruch als unlauteres Marktverhalten, S. 235). Es geht dabei nicht konkret um den Schutz in der Rolle als Marktteilnehmer (von Walter aaO S. 235). Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes stellen ungeachtet dessen, dass sich ihre Verletzung im Geschäftsleben durchaus auswirken kann, grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar (MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11, Rn. 69 [mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG]; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4 Nr. 11, Rn. 79; Gärtner/Heil, WRP 2005, 20, 22; Hoeren, VersR 2005, 1014, 1022; Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht, S. 182 [mit Ausnahme des § 28 Abs. 4 BDSG]; Büttner, Festschrift für Erdmann, 2002, S. 545, 559 unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt, Urt. v. 13.12.2000 - 13 U 204/98 sowie auf BGH, Nichtannahmebeschl. v. 15,11.2001 - I ZR 47/01). Weder Verbraucher noch Unternehmer werden von § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG im Hinblick auf wettbewerbliche Interessen als Marktteilnehmer geschützt, die für einen Verstoß gegen § 3, § 4 Nr. 11 UWG allein relevant sind (vgl. KG, Beschluss vom 05.10.2007 - 2 W 1/07 Kart = Anlage K 2, UA S. 5 f.; a.M. OLG Köln, Urt. v. 19.11.2010 - 6 U 73/10, juris, Rn. 13 sowie tendenziell Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4, Rn. 11.42). An dieser Beurteilung ändert angesichts des vorstehend erörterten Gesetzeszwecks nichts, dass § 28 Abs. 3 BDSG ausdrücklich die Zulässigkeit der Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung regelt (vgl. auch BGH GRUR 2006, 872, Rn. 16 ff. - Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern).
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann hier dahinstehen, ob der Anwendung von § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG als gesetzliche Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG im Übrigen entgegenstünde, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken eine vollständige Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt und in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie) daher - von in der Richtlinie eröffneten Ausnahmen (vgl. insbesondere Art. 3 Abs. 4, Abs. 5) abgesehen - weder mildere noch strengere nationale Regelungen zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.2011 - I ZR 17/10, Rn. 46, juris - Computer-Bild; BGH GRUR 2011, 843, Rn. 14 - Vorrichtung zur Schädlingsbekämpfung; EuGH GRUR 2011, 76, Rn. 27, Rn. 37 - Mediaprint).
Des Weiteren kann hier dahinstehen, ob die Antragsgegnerin bei der Verwendung von Daten ehemaliger Kunden für das beanstandete Werberundschreiben gegen die § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1, Abs. 3, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BDSG verstoßen hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.