Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess

Arbeitsgericht Frankfurt_am_Main

Urteil v. 25.01.2006 - Az.: 7 Ca 3342/05

Leitsatz

1. Die Installation einer Videokamera im Kassenbereich eines Getränkemarktes ist eine Überwachung eines öffentlich zugänglichen Raums iSv § 6 b BDSG dar. Schließlich werden an einem solchen Ort auch Kunden gefilmt, so dass der Ort für eine unbestimmte Anzahl von Personen zugänglich ist.

 

2. Liegt der Verdacht vor, dass ein Mitarbeiter Getränkebons zu seinen Gunsten manipuliert habe und wird die Kündigung auf die Auswertung der heimlich angebrachten Videoüberwachung gestützt, tritt im Kündigungsschutzprozess ein Beweisverwertungsverbot ein.

 

3. Das Beweisverwertungsverbot tritt deshalb ein, da ansonsten der Arbeitgeber bei Verstößen gegen § 6 b BDSG mit keinen nennenswerten Konsequenzen zu rechnen hätte.

 

4. Auch die Zeugenvernehmung jener Person, die die Videobänder ausgewertet hat, kommt nicht in Betracht.

Tenor

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 7, auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2006 durch den Richter (…) als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter (…) für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 30.03.2005 beendet wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Sache vorläufig an seinem Arbeitsplatz als Substitut / stellvertretender Filialleiter weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 14.518,56 (in Worten: Vierzehntausendfünfhundertachtzehn und 56/100 Euro) brutto abzüglich € 3.819,93 (in Worten: Dreitausendachthundertneunzehn und 93/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2005 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 4.839,52 (in Worten: Viertausendachthundert-neununddreißig und 52/100 Euro) brutto abzüglich € 2.460,60 (in Worten: Zweitausendvierhundertsechzig und 60/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 2.419,76 (in Worten: Zweitausendvierhundertneunzehn und 76/100 Euro) brutto abzüglich € 1.230,30 (in Worten: Eintausendzweihundertdreißig und 30/100 Euro) netto seit dem 01.11.2005 und aus € 2.419,76 (in Worten: Zweitausendvierhundertneunzehn und 76/100 Euro) brutto abzüglich € 1.230,30 (in Worten: Eintausendzweihundertdreißig und 30/100 Euro) netto seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

5. Die Widerklage wird abgewiesen.

6. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 29.741,23 festgesetzt.

8. Die Berufung wird nicht zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt davon unberührt.

Sachverhalt

Der Kläger und Widerbeklagte wendet sich mit seiner Klage gegen eine von der Beklagten und Widerklägerin am 30.03.2005 ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses. Für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag begehrt der Kläger zudem die Weiterbeschäftigung zu den bis zum Kündigungszeitpunkt geltenden Bedingungen. Die Beklagte macht mit der Widerklage einen Ersatzanspruch für anlässlich der Durchführung einer optischen Überwachung angefallene Kosten geltend.

Der am (…) geborene Kläger ist seit dem 15.08.2001 als Substitut / stellvertretender Filialleiter bei der Beklagten im (…), Frankfurt-Oberrad zu einem Bruttoentgelt von € 15,12 pro Stunde bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Er ist verheiratet und einer Person zum Unterhalt verpflichtet.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 30.03.2005, welches dem Kläger noch am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus verhaltensbedingten Gründen außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Begründet wurde diese Kündigung mit einem seitens der Beklagten gegen den Kläger bestehenden Verdachts der Leergutmanipulation.

Aufgrund interner Auswertungen war der Revision der Beklagten zuvor aufgefallen, dass im (…) Frankfurt-Oberrad Leergutauszahlungen ohne entsprechende Gegeneinkäufe stattfinden, die zahlmäßig den Rahmen des Üblichen weit übersteigen. In aller Regel kaufen Kunden, die Leergut in einem Markt der Beklagten abliefern, bei dieser Gelegenheit auch neue Getränke ein.

Es kommt zwar durchaus auch vor, dass Leergut abgeliefert wird, ohne dass ein entsprechender Gegeneinkauf stattfindet, jedoch ist dies bei der Beklagten ein statistisch eher seltener Vorgang. Anders stellte sich die Situation im Markt Frankfurt-Oberrad dar. Hier stellte die Revision fest, dass derartige Leergutablieferungen ohne Tätigung eines Gegenkaufs in auffälliger Häufung vorkamen.

Die Beklagte versuchte zunächst, die Ursache hierfür durch Testeinkäufe zu ergründen. Eine Klärung ließ sich hierdurch jedoch nicht erreichen. Aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit bestand bei der Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt der Verdacht, dass Mitarbeiter des Marktes Manipulationen im Zusammenhang mit dem Leergutgeschäft vornahmen.

Die Beklagte ersuchte daraufhin am 16.09.2004 den Betriebsrat um die Zustimmung zu einer optischen Überwachung des Kassenbereichs im Frankfurt-Niederrad. Das Ersuchen erfolgt in Form einer an den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten E-Mail.

Dieser teilte in einer E-Mail vom 16.09.2004, dass er den geplanten Kameraeinsatz "zur Kenntnis nehme". Auf den Inhalt dieser E-Mail (Bl. 66 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Kamera wurde in den Geschäftsräumen der Beklagten im Markt Frankfurt-Oberrad angebracht und auf den vor allem vom Kläger betreuten Kassenbereich gerichtet. Auf den mittels der Kamera gefertigten Aufzeichnungen war daher in erster Linie der jeweils an der Kasse tätige Mitarbeiter zu sehen.

Zum Teil waren jedoch auch die Kunden des Marktes bzw. Körperteile - vor allem die Arme - der Kunden beim Bezahlvorgang zu erkennen. Die Kamera wurde ohne das Wissen der im Markt tätigen Arbeitnehmer in einer Alarmanlage untergebracht und war somit nicht als Kamera zu erkennen.

Der Verdacht der Beklagten richtete sich zum damaligen Zeitpunkt bereits gegen den Kläger. Da dieser kurz nach Beginn der Kameraüberwachung Urlaubs- und krankheitsbedingt nicht am Arbeitsplatz gegenwärtig war, wurde die Überwachung zunächst wieder eingestellt.

Nach Rückkehr des Klägers wurde der Betriebsrat am 16.02.2005 erneut um die Zustimmung zur Fortsetzung der optischen Überwachung gebeten. Das Ersuchen erfolgte wiederum in Form einer an den Vorsitzenden des Betriebsrats gerichteten E-Mail. In einer weiteren E-Mail vom gleichen Tage erklärte der Betriebsratsvorsitzende, dass er die "Fortführung des geplanten Kameraeinsatzes bestätige und um Rückmelddung nach Beendigung des Kameraeinsatzes bitte". Auf den Inhalt dieser E-Mail wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 64 d.A.).

Die Auswertung der Videosequenzen erhärteten aus Sicht der Beklagten den gegenüber dem Kläger bestehenden Verdacht der Leergutmanipulation und veranlassten die Beklagte zunächst zur Durchführung eines persönlichen Gesprächs mit dem Kläger am 16.03.2005, welches jedoch keine weiteren Erkenntnisse brachte. Der Kläger bestritt in diesem Gespräch den Vorwurf der Leergutmanipulation vollumfänglich.

Im Anschluss an dieses Gespräch hörte die Beklagte den Betriebsrat zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Begründet wurde die Kündigung gegenüber dem Betriebsrat mit dem dringenden Verdacht der Leergutmanipulation durch den Kläger. Der Betriebsrat stimmte noch am 18.03.2005 der ordentlichen, nicht jedoch der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu.

Anlässlich der Durchführung optischen Überwachung des Klägers durch den Einsatz einer Kamera entstanden der Beklagten Kosten in Höhe von € 704,11.

Der Kläger bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Leergutmanipulation. Er behauptet, er habe niemals ohne Anlass Leergutbons in das Kassensystem eingegeben und sich so durch Manipulation des Leergutgeschäfts auf Kosten der Beklagten bereichert.

Er vertritt im Übrigen die Auffassung, dass die gefertigten Videoaufzeichnungen jedenfalls nicht zur Begründung der Kündigung verwertet werden durften, da eine derartige Videoüberwachung nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes nicht zulässig sei und zudem der Betriebsrat der Beklagten im Zusammenhang mit der optischen Überwachung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.

Eine bloße Kenntnisnahme der Überwachungsmaßnahme allein durch den Vorsitzenden des Betriebsrats sei nicht ausreichend, um den bestehenden Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates Rechnung zu tragen. Aus der rechtswidrigen Gewinnung der Videoaufzeichnungen folge zugleich ein Verwertungsverbot für den vorliegenden Rechtsstreit.

Der Kläger rügt zudem die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs.2 BGB.

Der Kläger beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2005 beendet wurde,

2) für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag unter Ziffer 1), die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Substitut / stellvertretender Filialleiter weiterzubeschäftigen,

3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 14.518,56 brutto abzüglich 3.813,93 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2005 zu zahlen,

4) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 4.839,52 brutto abzüglich € 2.460,60 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 2.419,76 brutto abzüglich € 1.230,30 netto seit dem 01.11.2005 und aus weiteren € 2.419,76 brutto abzüglich € 1.230,30 netto seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

1) die Klage abzuweisen,

2) den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte € 704,11 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2005 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Auswertung der aufgezeichneten Videobänder habe gezeigt, dass der Kläger mehrfach Leergutbons erstellt habe, ohne dass ein Kunde an der Kasse zu sehen gewesen sei.

Im Einzelnen seien auf den Aufzeichnungen folgende Vorkommnisse zu erkennen gewesen:

Am 17.12.2004 soll der Kläger um 14:02 Uhr einen Leergutbon in die Kasse getippt haben, ohne dass an diesem Vorgang ein Kunde oder eine Kundin beteiligt war. Der Wert des Bons habe 13,56 € betragen.

Am 22.12.2004 habe der Kläger erneut drei Leergutbons im Wert von insgesamt 9 € in die Kasse eingegeben, ohne dass dem ein Kauf bzw. die Rückgabe von Leergut durch einen Kunden vorausgegangen war.

Weiterhin sei auf der Aufzeichnung vom 02.03.2005 zu sehen gewesen, dass der Kläger zwei Leergutbons erstellt habe, wovon er jedoch nur einen der anwesenden Kundin ausgehändigt habe. Den anderen habe er neben der Leergutkasse abgelegt, um ihn später einzuscannen.

Weitere Vorfälle seien an den Tagen 03.03.2005, 04.03.2005 und 07.03.2005 zu erkennen gewesen. Auch hier habe der Kläger jeweils Leergutbons in das System eingegeben, ohne dass der entsprechende Gegenwert einem Kunden übergeben wurde. Bei diesen Vorfällen seien Bons im Wert von 12,64 €, von 10,02 €, von 13,05 €, von 9,90 € und von 7,20 € eingegeben worden.

Letztlich habe es am 10.03.2005 zwei und am 15.03.2005 einen weiteren Vorfall gegeben, anlässlich derer der Kläger erneut Bons im Wert von insgesamt rund 40 € ins System eingegeben habe, ohne dass hierfür tatsächlich Leergut abgeliefert wurde.

Trotz der auf den Videoaufzeichnungen zu sehenden Manipulationen hätten sich keine nennenswerten Kassendifferenzen in der Kasse des Klägers ergeben, so dass angenommen werden müsse, dass sich der Kläger die entsprechenden Differenzbeträge zugeeignet habe.

Die Beklagte behauptet ferner, der Kläger habe am 01.03.2005 seinen Kollegen (…) angewiesen, die Alarmsirene, in der die Kamera versteckt war, nach unten zu drücken, so dass eine weitere optische Überwachung des Kassenbereichs zunächst nicht länger möglich gewesen sei.

Aufgrund der dem Kläger vorgeworfenen Leergutmanipulation ist die Beklagte der Auffassung, dass ihr ein Festhalten am mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen sei. Der Einsatz der Kamera sei die einzige Möglichkeit gewesen, dem bestehenden Verdacht der Leergutmanipulation nachzugehen. Auf andere Weise - etwa durch weitere Testkäufe - habe sich eine Klärung nicht erreichen lassen.

Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass der Kläger die anlässlich der Installation der Überwachungskamera entstandenen Kosten zu erstatten habe.

Der Kläger ist hinsichtlich des mit der Widerklage verfolgten Schadensersatzanspruchs der Auffassung, dass eine Erstattung durch den Kläger schon aufgrund der Unzulässigkeit dieser Maßnahme nicht in Betracht komme. Zudem könne ein solcher Schadensersatzanspruch allenfalls dann angenommen werden, wenn sich die Überwachungsmaßnahme auf einen bestehenden, konkreten Verdacht stütze, was hinsichtlich des Klägers im Zeitpunkt der Installation der Kamera nicht der Fall gewesen sei.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Ablichtungen und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Widerklage ist dagegen unbegründet.

1.)

Die Klage ist zunächst hinsichtlich des unter Ziffer 1.) verfolgten Kündigungsschutzantrages begründet.

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet kraft seines betrieblichen und persönlichen Geltungsbereiches (§§ 23 Abs.1 und § 1 Abs.1 KSchG) auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten Anwendung. Die Beklagte beschäftige im Zeitpunkt der Kündigung mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bestand zu diesem Zeitpunkt auch länger als sechs Monate.

Der Kläger hat entsprechend § 4 Abs.1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage erhoben.

Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Die Kündigung eines Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber im Anwendungsbereich des KSchG ist gemäß § 1 Abs.2 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bedingt ist. Für die hier in erster Linie erklärte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich die Notwendigkeit eines die Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grundes bereits aus §626 Abs.1 BGB.

Die Beklagte beruft sich auf das Vorliegen von verhaltensbedingten Kündigungsgründen, nämlich den dringenden Verdacht der Begehung von Leergutmanipulationen zu Ungunsten der Beklagten.

Auch das Vorliegen eines solchen Verdachts einer strafbaren Handlung oder schwerwiegenden Pflichtverletzung kann geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt (BAG 2. Senat , Urteil vom 6. September 1990 , Az: 2 AZR 162/90 mwN.).

Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständig und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können (BAG 2. Senat , Urteil vom 14. September 1994 , Az: 2 AZR 164/94). Zudem ist vor Ausspruch einer Verdachtskündigung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass dem in Verdacht stehenden Mitarbeiter im Rahmen einer Anhörung Gelegenheit gegeben wird, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt ein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers rechtfertigender Verdacht nicht vor.

Hinsichtlich des Vorliegens eines die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grundes ist der Arbeitgeber darlegungs- und, wenn das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des Grundes wie hier bestritten wird, beweispflichtig. Die Beklagte hat zur Begründung des gegenüber dem Kläger im Kündigungszeitpunkt bestehenden dringenden Verdachts der Leergutmanipulation lediglich die erstellten Videoaufzeichnungen angeboten.

Diese Videoaufzeichnungen sind jedoch nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Rechtsstreit nicht verwertbar, da sie rechtswidrig unter Verstoß gegen § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gewonnen wurden und aus dieser Rechtsverletzung auch ein Beweisverwertungsverbot folgt.

Nach § 6b BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen überwiegen. § 6b Abs. 2 BDSG statuiert ferner, dass der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sind.

Bei dem vorwiegend vom Kläger betreuten Kassenbereich handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum im Sinne der genannten Vorschrift. Öffentlich zugänglich sind solche Räume, die ihrem Zweck nach dazu dienen, von unbestimmt vielen oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personen betreten und genutzt zu werden.

Die Gesetzesbegründung nennt beispielhaft Bahnsteige, Ausstellungsräume eines Museums, Verkaufsräume und Schalterhallen (BT-Drucks. 14/4329 S.38). Nicht öffentlich zugänglich sind Räume, die nur von einem bestimmten Personenkreis betreten werden dürfen (vgl. zum Begriff BAG 1. Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2004 , Az: 1 ABR 34/03).

Der Verkaufsraum eines Getränkemarkts ist danach ein öffentlich zugänglicher Raum im Sinne des § 6b BDSG. Wenn die Beklagte dem entgegenhält, die Kameraüberwachung sei lediglich auf den nur den Mitarbeitern des Marktes zugänglichen Kassenbereichs beschränkt, so vermag dies nicht zu überzeugen.

Im Kammertermin räumte die Beklagte ein, dass auf den erstellten Videoaufzeichnungen durchaus auch einmal Kunden während des Bezahlvorgangs zu sehen seien. Nach Auffassung der Kammer dürfte sich dies auch schwerlich vermeiden lassen. Während des Bezahlvorgangs nähern sich die Kunden dem anwesenden Verkaufspersonal auf sehr kurze Distanz.

Es mag hierbei dazu kommen, dass sich der Kassierer über die Kasse beugt, um zu sehen, welche Waren der Käufer auf seinen Einkaufswagen geladen hat. Es mag weiterhin dazu kommen, dass sich der Kunde seinerseits zur Kasse hinbeugt, um den Kaufpreis zu übergeben. Unter Berücksichtigung dieser an einer Kasse stattfindenden Bewegungsabläufe ist nach Auffassung der Kammer nicht dargelegt, dass eine optische Überwachung des Kassenpersonals vorliegend so möglich war, dass eine Aufzeichnung von Kunden ausgeschlossen werden konnte.

Danach ist der Kassenbereich eines Getränkemarkts - anders als z.B. die Bearbeitungshalle des Briefverteilungszentrums in der Entscheidung des BAG vom 14.12.2004 - als Teil des gesamten, grds. öffentlich zugänglichen Verkaufsraums anzusehen. Eine künstliche Aufspaltung des Getränkemarkts in einen öffentlich zugänglichen Verkaufsbereich und einen nur den Mitarbeitern zugänglichen Kassenbereich überzeugt nicht (ebenso Bayreuther, NZA 2005, S.1038) und erscheint auch unter praktischen Gesichtspunkten nicht durchführbar.

Unstreitig ist nun die Überwachung des Klägers mittels einer optisch-elektronischen Einrichtung in Form einer als Alarmanlage getarnten Kamera unter Verletzung des § 6b Abs.2 BDSG nicht kenntlich gemacht worden. Die Durchführung der Kameraüberwachung ist damit bereits aus diesem Grunde rechtswidrig.

Nach Auffassung der Kammer folgt aus der dargelegten Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch, dass die gefertigten Videoaufzeichnungen nicht als Beweismittel in den vorliegenden Prozess eingeführt werden dürfen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob aus einer rechtswidrigen Beweisgewinnung auch ein Verwertungsverbot folgt, ist zu zunächst berücksichtigen, dass die Annahme eines Beweisverwertungsverbots unter Umständen dazu führen kann, dass ein den Tatsachen nicht entsprechendes gerichtliches Urteil geschaffen wird.

So kann es in Fällen wie dem vorliegenden dazu kommen, dass eine Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers Erfolg hat, obwohl unter Umständen auf den rechtswidrig gefertigten und damit unverwertbaren Aufzeichnungen deutlich die Begehung einer Straftat zu erkennen ist, welche an sich ohne Weiteres eine Kündigung rechtfertigen würde.

Andererseits ist zu bedenken, dass es sich bei einer auf die gesamte Arbeitszeit erstreckte optische Überwachung um einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers handelt. § 6b BDSG formt nun die Kriterien, unter denen generell eine Überwachung in öffentlich zugänglichen Räumen zulässig ist, gesetzlich aus.

Blieben die unter Verstoß gegen diese Vorschrift gewonnenen Erkenntnisse weiterhin verwertbar, so könnte ohne nennenswerte Folgen gegen diese Vorschriften verstoßen werden. Ein Arbeitgeber der seine Mitarbeiter optisch unter Verstoß gegen § 6b BDSG überwacht, hätte allenfalls ein im Übrigen folgenloses Unwerturteil seines Handelns in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess zu befürchten.

Die gewonnenen Beweise könnte er jedoch zur Begründung der gegenüber dem Mitarbeiter ausgesprochenen Kündigung weiterhin heranziehen. Der schwere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers bliebe damit folgenlos, ganz unabhängig von der in § 6b BDSG getroffenen Wertung zur Abwägung der beiderseitigen Interessen in derartigen Fällen.

Ein solches Ergebnis lässt sich nach Sinn und Zweck des § 6b BDSG nicht rechtfertigen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass aus der unter Verstoß gegen § 6b BDSG erfolgten Beweisgewinnung zugleich ein Beweisverwertungsverbot folgt.

Im Ergebnis konnte die Beklagte damit keinen Beweis für das Bestehen eines die Kündigung rechtfertigenden Verdachts anbieten. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht etwa die Person, die mit der Auswertung der Videobänder betraut war, als Zeuge in den Prozess eingeführt werden. Unabhängig von der weitergehenden Frage der sogenannten Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten kommt die Vernehmung einer solchen Person als Zeuge nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht.

Die Existenz eines Videobandes als solches erbringt noch keinen Beweis. Zur Beweisführung geeignet wird das Band erst dadurch, dass die auf dem Band verkörperten optischen Information durch ein menschliches Auge zur Kenntnis genommen werden. Diese Kenntnisnahme ist sowohl vor Ausspruch einer auf die gewonnenen Informationen gestützten Kündigung als auch in einer gerichtlichen Beweisaufnahme ein notwendiger Zwischenschritt.

Die obigen Ausführungen zum Beweisverwertungsverbot würde nun völlig sinnentleert, wenn man zwar eine Inaugenscheinnahme des Videobandes als unzulässig ansehen, die Vernehmung einer Person als Zeuge, die den Inhalt des Bandes zur Kenntnis genommen hat, jedoch zulassen würde. Auch ein solcher Zeugenbeweis ist nach Auffassung der Kammer vom bestehenden Beweisverwertungsverbot erfasst.

Im Ergebnis kann hier demnach auch dahinstehen, ob ein Beweisverwertungsverbot auch aus der Verletzung des § 87 I Nr.6 BetrVG folgt. Die erstellten Videoaufzeichnungen können bereits aufgrund des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften nicht zur Begründung eines die Kündigung rechtfertigenden Verdachts herangezogen werden.

Es lagen damit weder Gründe für eine außerordentliche Kündigung noch für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Die ausgesprochene Kündigung ist damit rechtsunwirksam.

2.)

Dem Kläger steht unabhängig von einem etwaigen Anspruch aus § 102 Abs. 5 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung aus seinem Arbeitsvertrag i.V.m. §§ 611, 242 BGB zu, da der Arbeitnehmer grundsätzlich aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung hat. im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits besteht dieser (Weiter-)Beschäftigungsanspruch (vorläufig), wenn der Arbeitnehmer ein noch nicht rechtskräftiges positives Kündigungsschutzurteil erlangt hat und wenn die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung die Interessen des Arbeitgebers übersteigen (BAG GS vom 27.2.1985, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr.14).

Der Kläger hat mit seinem Antrag zu 1) obsiegt und somit ein positives Urteil erstritten. Der Weiterbeschäftigung des Klägers stehen auch keine überwiegenden Interessen der Beklagten entgegen. Ein überwiegendes Interesse würde voraussetzen, dass die Weiterbeschäftigung nicht möglich oder unzumutbar ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

3.)

Die Klage ist auch hinsichtlich der unter Ziffer 3) und 4) verfolgten Zahlungsanträge begründet. Aufgrund der am 30.03.2005 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses unterblieb für den Zeitraum März bis November 2005 unstreitig die Zahlung des dem Kläger zustehenden Gehalts.

Aufgrund der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien jedoch fort. Der Kläger kann daher gemäß §§ 611, 615, 293 ff BGB die Zahlung der Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges verlangen. Das vom Kläger ab dem 27.06.2005 erhaltene Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.230,30 monatlich war auf den Anspruch anzurechnen.

4.)

Die Widerklage ist unbegründet. Ein Anspruch auf Ersatz von Detektivkosten und ähnlichen Kosten zur Verfolgung eines gegenüber Mitarbeitern bestehenden Verdachts kann sich grds. aus § 280 BGB bzw. aus § 823 BGB ergeben (BAG vom 03.12.1985, 3 AZR 277/84). Die Beklagte konnte jedoch nicht beweisen, dass der Kläger hier eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung vorgenommen hat.

Die gefertigten Videoaufzeichnungen sind auch insoweit nicht verwertbar. Die Beklagte hat auch nicht schlüssig darlegen können, dass im Zeitpunkt der Installation der Kamera bereits ein hinreichend konkreter, gegen den Kläger gerichteter Verdacht bestand. Ein Ersatz der insoweit entstandenen Kosten durch den Kläger kommt daher nicht in Betracht.

5.)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs.1 ZPO. Danach hat die unterlegene Partei die Kosten zu tragen.

Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für den Antrag zu 1) in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern folgt aus § 42 Absatz 4 GKG. Der Antrag zu 2) wird mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt des Klägers bewertet. Im Übrigen waren für die Festsetzung des Gegenstandswerts die mit Klage und Widerklage geltend gemachten Beträge maßgeblich.

Die Berufung ist hinsichtlich der Klage gemäß § 64 Absatz 2 c) zulässig. Hinsichtlich der Widerklage war die Berufung nicht ausdrücklich zuzulassen, da ein Fall des § 64 Abs.3 ArbGG nicht vorliegt. Allerdings wird davon die Statthaftigkeit der Berufung nach § 64 Abs. 2 b) bis d) ArbGG nicht berührt.