Unzulässige E-Mails durch Gewerkschaften

Arbeitsgericht Frankfurt_am_Main

Urteil v. 12.04.2007 - Az.: 11 Ga 60/07

Leitsatz

1. Die Zusendung unaufgeforderter E-Mails durch eine Gewerkschaft stellt dann einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, wenn die Arbeitnehmer des Unternehmens den dienstlichen E-Mail-Account nicht privat nutzen dürfen.

2. In dem Verbot liegt auch kein Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG. Informationen an die Beschäftigen über die Aktivitäten der Gewerkschaft können auch durch Hinweise auf der Seite des Betriebsrates im Intranet, durch das Aufhängen von Plakaten oder durch Flyer am Werkstor erfolgen.

Tenor

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren (...) hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 11, auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2007 für Recht erkannt:

1. Der Antragsgegnerin zu 1) und den Antragsgegnern zu 3) und 4) wird aufgegeben, es zu unterlassen, E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter der Antragstellerin ohne vorangegangene Aufforderung oder Einverständnis der Antragstellerin zu senden.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die Gerichtskosten haben die Antragstellerin zu 5/8 und die Antragsgegner zu 1), 3) und 4) zu jeweils 1/8 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2) hat die Antragstellerin zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Antragstellerin hat die Kosten zu tragen, die dadurch entstanden sind, dass der Rechtsweg zur Zivilgerichtsbarkeit angerufen wurde.

4. Der Streitwert wird auf 200.000,00 EUR festgesetzt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Zusendung von E-Mails sowie die Weitergabe von E-Mail-Adressen.

Die Antragstellerin ist ein Dienstleistungsunternehmen der Informationstechnologie in der Finanzbranche mit Hauptsitz in Frankfurt am Main: Sie beschäftigt in den Standorten in Frankfurt am Main, Duisburg, Fellbach, Karlsruhe, Mainz, Münster, München, Nürnberg, Offenbach und Köln ca. 3.300 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin zu 1) ist eine der größten Gewerkschaften in Deutschland mit ca. 2,3 Millionen Mitgliedern. Die Grundlage der Tätigkeit der Antragsgegnerin zu 1) bildet die Satzung i.d.F. vom 29./30.11.2006 (Bl. 28 - 86 d.A.).

Die Antragsgegnerin zu 2) ist der Landesbezirk (…) der Antragsgegnerin zu 1). Der Antragsgegner zu 3) ist der Landesbezirksleiter der Antragsgegnerin zu 2). Der Antragsgegner zu 4) ist als Bundesfachgruppenleiter für den Bereich (…) zuständig.

Die Antragsgegner zu 3) und 4) versandten im Namen der Antragsgegnerin zu 1) am 12.02.2007 über 3.000 E-Mails an die Mitarbeiter der Antragstellerin ohne Einverständnis der Antragstellerin bzw. aller Mitarbeiter. In dieser Nachricht äußerten sich die Antragsgegner zu dem bei der Antragstellerin durchzuführenden "SI-Standortkonzept". Dieses Konzept sieht vor, dass an einigen Standorten der Antragstellerin Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen werden sollen.

Die Antragsgegner kündigten in der E-Mail an, dass sie die angeschriebenen Mitarbeiter auch künftig intensiv und direkt per Mail informieren und einbeziehen wollen verbunden mit der Aufforderung, an (…) zu schreiben. Wegen des weiteren Inhalts der E-Mail wird auf Bl. 93 -96 d.A. verwiesen. Die Nutzung der elektronischen Medien bei der Antragstellerin wird durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.11.2006 geregelt (Bl. 97 - 121 d.A.). Nach dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist die Nutzung der E-Mail Accounts, des Internets, des Intranets etc. nur für dienstliche Angelegenheiten erlaubt.

Mit einem Rundschreiben vom 28.02.2.007 wandte sich die Antragstellerin an ihre Mitarbeiter und wies darauf hin, dass die Antragsgegner die E-Mail-Adressen ohne ihr Wissen und ohne ihr Einverständnis erlangt hätten (BF 125 -.126. d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.02.2007 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zu 1) ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in Bezug auf die Zusendung von E-Mails an Mitarbeiter und/oder die Weitergabe der E-Mail-Adressen abzugeben.

Nachdem die Antragsgegnerin zu 1) dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 05.03.2007, bei dem Landgericht Frankfurt am Main eingegangen am selben Tag, im Wege einer einstweiligen Verfügung zwei Anträge gerichtet auf das Unterlassen von E-Mail-Zusendungen sowie auf die Verbreitung der E-Mail-Adressen. In der am 02.03.2007 von den Antragstellern bei dem Landgericht Frankfurt am Main eingegangenen Schutzschrift rügten die Antragsgegner u.a. den beschrittenen Rechtsweg und beantragten die Verweisung an die Gerichte für Arbeitssachen.

Mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.03.2007 wurde der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Bl. 137 - 143 d.A.). Das Landgericht bejahte die Zuständigkeit des beschrittenen Rechtswegs, und führt im Wesentlichen aus, dass dem gewerkschaftlichen Recht auf Information und Werbung bei der vorzunehmenden Interessenabwägung der Vorrang einzuräumen sei. Die Antragsstellerin legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein, welcher das Landgericht Frankfurt am Main nicht abhalf.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob durch Beschluss des Senats vom 28.03.2007 den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main auf und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main (Bl. 188 - 192 d.A.). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main begründete die Verweisung mit der vorrangigen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Diese Zuständigkeit führe nach Ansicht des Senats zu der Verweisung, da eine Ausnahme von dem in § 17 Abs. 5 GVG geregelten Grundsatz vorliege.

Die Antragstellerin trägt vor, durch ihr Vorgeben verletzten die Antragsgegner ihr Eigentumsrecht, ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Durch die zugesandten E-Mails werde Speicherplatz belegt und die Antragsgegner nützten unberechtigt ihre Einrichtungen. Da der Abruf der Nachrichten grundsätzlich "online" erfolge, .würden zusätzlich Telekommunikationsgebühren verursacht. Ferner müsse für das Lesen und ggf. Aussortieren unerwünschter Nachrichten Arbeitszeit aufgewandt werden.

Wenn sich nur die Hälfte der Mitarbeiter zur Lektüre der E-Mail entscheide und die übrigen Mitarbeiter die E-Mail ohne Lektüre löschen, würde dies einen Zeitaufwand von über 200 Arbeitsstunden verursachen. Auch habe die flächendeckende Versendung der E-Mails zu Unruhe und Besorgnis unter der Belegschaft geführt. Es werde der Eindruck erweckt sie gebe personenbezogene Daten weiter. Die Adressen seien weder von der Antragstellerin noch von einem befügten Dritten an die Antragsgegner weitergegeben worden. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und den Arbeitnehmern sei beeinträchtigt worden.

Die Antragsgegner könnten mit Plakaten, Flugblättern, Infoständen etc. arbeiten. Der Grundsatz der Kampfparität zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber sei durch die Zusendung der E-Mails gestört. Von der Wiederholungsgefahr sei aufgrund der Ankündigung der Antragsgegner in der E-Mail, auch in Zukunft die Mitarbeiter auf diesem Wege zu informieren, auszugehen. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ergebe sich aus dem Umstand, dass die meisten Mitarbeiter, welche E-Mails erhielten, in dem Hauptsitz in Frankfurt am Main beschäftigt würden.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Antragsgegnern wird aufgegeben, es zu unterlassen, E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter der Antragsstellerin ohne vorangegangene Aufforderung oder Einverständnis der Antragstellerin zu senden.

2. den Antragsgegnern wird aufgegeben, es zu unterlassen, E-Mail-Adressen der Antragstellerin an Dritte weiterzugeben.

Die Antragsgegner beantragen, die Anträge zurückzuweisen.

Die Antragsgegner tragen vor, die Zusendung der E-Mails sei als Information der Beschäftigten und als Werbung im Rahmen rechtmäßiger gewerkschaftlicher Betätigung erfolgt, die in ihrem Kernbereich durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sei. Unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Rechte dürfe es Gewerkschaften nicht verboten sein, sich der modernen Kommunikation über das Internet und die Versendung von E-Mails zu Werbezwecken zu bedienen.

Zudem sei den Empfängern durch einfaches Anklicken eines Links die Gelegenheit gegeben worden, den Empfang weiterer E-Mails, auszuschließen. Die Antragsgegnerin zu 2) sei nicht parteifähig, da alle Untergliederungen der Gewerkschaft (…) für die (…), ausschließlich vertreten durch den Bundesvorstand, handelten. Bei den Antragsgegnern zu 3) und 4) handele es sich um Funktionäre der Antragsgegnerin zu 1), welche als Privatpersonen nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnten.

Entscheidungsgründe

Die Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 2) sind unzulässig. Der Antrag zu 1) gegen die Antragsgegner zu 1), 3) und 4) ist begründet der Antrag zu 2) ist unbegründet.

Wegen der nach § 313 Abs. 3 ZPO gebotenen Zusammenfassung der die Entscheidung der Kammer tragenden Erwägungen gilt Folgendes:

I.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG, § 32 ZPO.

2.

Die Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 2) sind unzulässig. Die Antragsgegnerin zu 2) ist nicht parteifähig im Sinne des § 10 ArbGG.

§ 10 ArbGG erklärt auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für parteifähig. Untergliederungen von Gewerkschaften können selbst parteifähig sein, wenn sie körperschaftlich organisiert und gegenüber der Gesamtorganisation weitgehend selbständig sind. (BAG Urt. v. 22.12.1960 - 2 AZR 140/58 - AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG 1953 = DB 1961, 444; zur Beteiligtenfähigkeit siehe BAG Beschl. v. 19.11.1985 - 1 ABR 37/83 - AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit = NZA 1986, 480 - 483).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragsgegnerin zu 2) nicht. Sie ist gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) nicht selbständig im Sinne der genannten Definition. Gemäß § 68 Nr. 1 der Satzung wird die Tarifarbeit der (…) von den durch die Fachbereiche gebildeten Tarifkommissionen wahrgenommen. Die Tarifkommissionen entscheiden über die Tarifforderungen, die Annahme und Ablehnung von Verhandlungsergebnissen und über das Scheitern der Verhandlungen sowie den Abschluss und die Kündigung von Tarifverträgen.

Sie sind in ihren Entscheidungen eigenständig, dabei jedoch an die aufgrund von § 69 der Satzung festgelegten tarifpolitischen Grundsätze gebunden. Gemäß § 69 Nr. 2 der Satzung sind die Tarifkommissionen je nach dem Geltungsbereich der abzuschließenden Tarifverträge auf betrieblicher, regionaler oder Bundesebene zu bilden. Zu den landesbezirklichen Angelegenheiten gehört nach § 34 Nr. 4 lit. c der Satzung auch die Koordination der regionalen Tarifpolitik, und der Verantwortung der Fachbereiche und fachbereichsübergreifenden Tarifpolitik.

Der Landesbezirksleiter vertritt gemäß § 35 Satz 4 der Satzung (…) in landesbezirklichen Angelegenheiten. Bei rechtsgeschäftlicher Vertretung handelt er gemäß § 34 Satz 5 der Satzung als Bevollmächtigter des Bundesvorstandes. Diese Regelung steht im Einklang mit § 42 Abs. 3 der Satzung, wonach nur der Bundesvorstand die Gewerkschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Damit ist der rechtsgeschäftliche Vertreter des Landesbezirks insoweit kein unabhängiges Organ des Bezirks, sondern Beauftragter des Hauptvorstandes.

Gerade in dem Kernbereich der Gewerkschaftstätigkeit handelt der Vertreter des Landesbezirks als Beauftragter des Hauptvorstandes und nicht nur als Vertreter des Landesbezirks. Folglich kann eine weitgehende Selbständigkeit des Landesbezirks gerade in den maßgeblichen Fragen von Tarifverhandlungen und des Abschlusses von Tarifverträgen nicht angenommen werden (dies als entscheidendes Kriterium ansehend BAG Beschl. v. 19.11.1985 - 1 ABR 37/83 - a.a.O.).

3.

Die Anträge sind zum Teil begründet.

a) Der Antrag zu 1) ist begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen die Antragsgegner zu 1), 3) und 4) darauf, dass sie keine weiteren E-Mails an die Mitarbeiter der Antragstellerin ohne Einverständnis senden gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz BGB analog.

aa) Das beeinträchtigte Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

bb) Durch die Zusendung der über 3.000 E-Mails mit werbendem Inhalt griffen die Antragsgegner in dieses Recht unmittelbar zielgerichtet ein. Durch das Übersenden wird unmittelbar Arbeitszeit der Arbeitnehmer in Anspruch genommen. Es kann gar nicht vermieden werden, dass die Arbeitnehmer Arbeitszeit dafür aufwenden, da sie zumindest mittels einer kurzen Prüfung die Entscheidung treffen müssen, ob die zugesandte E-Mail in den dienstlichen Bereich fällt (a.A. ArbG Brandenburg Urt. v. 01.12.2004 - 3 Ca 1231/04 - juris, nach dessen Ansicht die bloße Möglichkeit des Lesens der E-Mail nicht ausreicht).

Die Berufsausübungsfreiheit wird durch die Verwendung von Arbeitszeit zu betriebsfremden Zwecken ebenso tangiert wie das Eigentumsrecht des Arbeitgebers durch die Nutzung zu Privatzwecken (so auch Hopfner/Schrock, DB 2004, S. 1558, 1560). Der Zugang zu der E-Mail ist nur über den betrieblichen Rechner möglich. Dies setzt zumindest die Anschaffung der technischen Mittel und die Kosten für das Abrufen und Betreiben der Rechner voraus.

Umso erheblicher wird der Eingriff je mehr Arbeitnehmer sich mit der zugesandten E-Mail beschäftigen. Bei über 3.000 Mitarbeitern ist es offensichtlich, dass betriebliche Mittel in erheblichem Umfang für gewerkschaftliche Zwecke beansprucht werden. Beim Empfang von E-Mails sind daher unter Missbrauchsgesichtspunkten die Grenzen jedenfalls dann erreicht, wenn ganze Belegschaften wie vorliegend nach Art einer Postwurfsendung mit E-Mails beschickt werden (so auch Beckerschulze/Henkel, DB 2001, S. 1491, 1501).

cc) Der Eingriff war rechtswidrig. Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg auf eine Rechtfertigung berufen.

(1) Für die Beurteilung der Frage, ob die unaufgeforderte Zusendung der E-Mails einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des E-Mail Empfängers darstellt, ist zu prüfen, ob dessen Einverständnis mit der unverlangten Zusendung von werbenden E - Mails vermutet werden kann (OLG Düsseldorf Urt. v. 24.05.2006 - 1 - 15 U 45/06, 15 U 45/06 - MDR 2006, 544 - 545). Eine derartige Vermutung setzt zumindest voraus, dass nach Art des Angebots und des Gewerbes des Empfängers ein Bedarf möglich erscheint (LG München Urt. v. 05.11.2002 - 33 O 17030/02 - NJW-RR 2003, 264). Diese Voraussetzungen liegen unstreitig nicht vor. Die Antragsgegner konnten nach dem informatorischen, aber in erster Linie: werbenden Inhalt mit einem Einverständnis der Antragstellerin nicht rechnen.

(2) Das Handeln der Antragsgegner ist ferner nicht durch das grundrechtlich geschützte Koalitionsrecht gerechtfertigt.

Die von den Antragsgegnern vorgenommene Information und Werbung in den streitgegenständlichen E-Mails ist Ausdruck der Koalitionsbetätigungsfreiheit i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG. Die koalitionsmäßige Betätigung wird von Art. 9 Abs. 3 GG jedoch nicht schrankenlos gewährt, sie steht unter dem Vorbehalt der praktischen Konkordanz (zu der vorzunehmenden Abwägung bei den Zusendung von E-Mails mit Gewerkschaftswerbung siehe auch LAG Schleswig - Holstein Urt. v. 01.12.2000 - 6 Sa 562/99 - AiB 2001, 305 - 308).

Die Antragsgegner haben für die gewerkschaftliche Tätigkeit fremdes Eigentum in Anspruch genommen. Dies wäre nur dann zulässig, wenn das Recht des Eigentümers, andere von der Nutzung der Sache, auszuschließen, hinter das Recht der Antragsgegner auf koalitionsmäßige Betätigung zurücktreten müsste (BAG Urt. v. 23.09.1986 - 1 AZR 597/85 - AP Nr. 45 zu Art 9 GG = NZA 1987, 164 -165). Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Ziel der Koalition auf eine andere Weise verfolgt werden kann, sodass die Eigentumsrechte anderer hiervon unberührt bleiben.

Die Antragsgegnerin ist als Arbeitgeberin kraft ihrer Organisationsgewalt und der Befugnis, betriebliche Abläufe zu regeln, berechtigt, betriebliche Einrichtungen wie die betrieblichen Rechner zur Erfüllung des Betriebszweckes nicht nur zu schaffen, sondern auch deren Benutzung näher zu regeln. Diese Befugnis beruht letztlich auf dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht. Auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Rechts auf koalitionsmäßige Betätigung unterliegt die Ausübung dieser Befugnis im vorliegenden Fall keiner Beschränkung.

Die gewerkschaftliche Information und Werbung per E-Mail an im Unternehmen der Antragstellerin tätige Arbeitnehmer ist unzulässig, da die Abwägung der Grundrechte ergibt, dass diese gewerkschaftliche Handlungsform zur Wahrung der gewerkschaftlichen Koalitionsfreiheit auch auf anderem Weg möglich ist (dazu Lelley, BB 2002, S. 252, 254). Den Antragsgegnern bleiben ausreichende Möglichkeiten zur Werbung, die das Eigentum und auch die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin nicht beeinträchtigen.

Ein Hinweis auf die Homepage der Antragsgegnerin zu 1) auf der Seite des Betriebsrats im Intranet oder auch die üblichen Mittel der Werbung wie das Aufhängen von Plakaten oder das Verteilen von Flugblättern am Ausgang der Betriebsstätte sind, denkbar. Bei diesen Alternativen wird deutlich, dass die grundrechtlich geschützten Positionen der Antragstellerin nicht berührt werden. Um Plakate auf einem schwarzen Brett zu lesen, wenden Arbeitnehmer keine Arbeitszeit auf, da sie den Arbeitsplatz verlassen. Nehmen sich die Mitarbeiter bei Verlassen des Gebäudes ein Flugblatt mit, lesen sie es nicht während der Arbeitszeit.

Zwar ist es offensichtlich, dass eine Information und Werbung in dem von den Antragsgegnern gewählten Weg die schnellste, effektivste und kostengünstigste Variante darstellt. Auf diesem Weg erreicht die Antragsgegnerin zu 1) deutlich mehr Arbeitnehmer als bei den sonstigen Werbemöglichkeiten. Jedoch ist es nicht die Aufgabe eines Tarifpartners dem anderen Tarifpartner die schnellste, effektivste und kostengünstigste Variante zu ermöglichen. Daher muss es der Arbeitgeber nicht dulden, dass Gewerkschaften ungefragt den Arbeitnehmern im Betrieb elektronische Nachrichten mit gewerkschaftlichem Inhalt zusenden (so auch Hopfner/Schrock, DB 2004, S. 1558, 1561; a.A. Däubler, DB 2004, 2102, 2103).

dd) Die Wiederholungsgefahr im Sinne des § 1004 BGB liegt vor, da in der E-Mail angekündigt wird, dass die Antragsgegner auch künftig intensiv und direkt per E-Mail die Mitarbeiter der Antragstellerin informieren und einbeziehen wollen.

ee) Der Unterlassungsanspruch ist nicht nur gegen die Antragsgegnerin zu 1), sondern auch gegen die Antragsgegner zu 3) und 4) begründet. Im Namen dieser beiden Personen wurde die streitgegenständliche E-Mail versandt. Sie können daher unmittelbar als Störer im Sinne des § 1004 BGB in Anspruch genommen werden.

ff) Zweifel an dem Verfügungsgrund bestehen nicht. Die effektive Klärung der vorliegenden Rechtsfragen ist nur in dem eingeleiteten Eilverfahren möglich.

b) Der Antrag zu 2) ist unbegründet. Eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr im Sinne des § 1004 BGB. liegt nicht vor.

Mit ihrem Antrag zu 2) begehrt die Antragstellerin, es den Antragsgegnern aufzugeben, die Weitergabe der E-Mail Adressen zu unterlassen. Die Antragstellerin trägt weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung vor, dass eine derartige Weitergabe bereits stattfand, bevorsteht oder angekündigt wurde. Eine Wiederholungsgefahr liegt mangels bereits eingetretener Verletzungshandlung im Sinne des Antrages zu 2) unstreitig nicht vor. Für eine Erstbegehungsgefahr hätte vorgetragen werden müssen, dass sich die Antragsgegner in Bezug auf den Antrag zu 2) eines Rechts berühmen, die Verletzungshandlung vornehmen zu dürfen oder dass sie den Entschluss zur Verletzung bereits gefasst haben, so dass es nur noch an ihnen liegt, ob es zur Verletzung kommt oder nicht.

Die Antragstellerin begründet ihr Interesse an diesem Antrag jedoch damit, dass die Antragsgegner die Adressen auf einem rechtswidrigen Weg erhalten hätten und somit auch die Gefahr der rechtswidrigen Weitergabe drohe. Allein aus dem Umstand lässt sich jedoch kein Erstbegehungsinteresse ableiten. Die Antragstellerin mutmaßt eine rechtswidrige Weitergabe der Adressen ohne konkrete Anhaltspunkte. Allein die abstrakte Gefahr genügt den Anforderungen an die nötige potentielle konkrete Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Quotelung der Gerichtskosten entspricht dem teilweisen Obsiegen der Parteien und berücksichtigt, dass die gegen die Antragsgegnerin zu 2) erhobene Klage unzulässig ist. Daher hat die Antragstellerin die auch im Arbeitsgerichtsverfahren im Rahmen des 12a ArbGG zu tragenden außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2) zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Antragstellerin den unzulässigen Rechtsweg zur Zivilgerichtsbarkeit anrief, hat sie gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG zu tragen.

Der im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert beruht auf §§ 3, 5 ZPO und entspricht dem von der Antragstellerin bezifferten finanziellen Interesse.

Gegen dieses Urteil ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG das Rechtsmittel der Berufung statthaft. Die Einzelheiten der Rechtsmittelbelehrung erfolgen auf der nächsten Seite.