Beschlagnahme von Datenträgern
Leitsatz
1. Die Durchsuchung von Räumen mit anschließender Beschlagnahme von Datenträgern berührt den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG, da zur Entfaltung der Persönlichkeit jedes menschliches Verhalten gehört.
2. Die Beschlagnahme von Datenträgern berührt auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
3. Um in vorgenannte Grundrechte eingreifen zu dürfen, bedarf es einer Rechtsgrundlage. Diese stellen die §§ 94 ff StPO dar, wenn dies zur Beweissicherung im Strafverfahren erforderlich ist.
4. Bei der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.
5. Eine Sicherstellung und Beschlagnahme entspricht dann nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn nur gegen einen Partner einer Steuerberatungsgesellschaft und Anwaltskanzlei wegen des Verdachtes einer Straftat ermittelt wird und der Datenbestand der gesamten Gesellschaft und Kanzlei, also auch der nicht verdächtigten Anwälte und Steuerberater, beschlagnahmt wird.
Tenor
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
1.des Herrn (...),
2.des Herrn (...),
3.des Herrn (...),
4.der Firma (...), vertreten durch die Geschäftsführer (...) und (...),
gegen
a)den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. Juni 2002 - 618 Qs 52/02 -,
b)den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 2002 - 618 Qs 54/02 -,
c)den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 14. Juni 2002 - 618 Qs 52/02 -,
d)den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Juni 2002 - 164 Gs 737/02 - 5100 Js 85/02 -,
e)die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2002 - 164 Gs 737/02 - 5100 Js 85/02 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter (...) am 12. April 2005 beschlossen:
Die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 14. Juni 2002 - 618 Qs 52/02 -, vom 20. Juni 2002 - 618 Qs 54/02 - und vom 25. Juni 2002 - 618 Qs 52/02 - verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit über die Sicherstellung von Beweismitteln entschieden wurde. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu drei Viertel zu erstatten.
Sachverhalt
s. Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsuchung und Beschlagnahme des elektronischen Datenbestands einer Rechtsanwaltskanzlei und einer Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen eines gegen einen der Berufsträger gerichteten Ermittlungsverfahrens. Sie wirft unter anderem die Frage auf, welche Bedeutung die Vertrauensbeziehungen zwischen den unmittelbar von den Eingriffen betroffenen Berufsgeheimnisträgern und ihren Mandanten für die Zulässigkeit eines strafprozessual veranlassten umfassenden Datenzugriffs haben.
I.
1.
Die materielle Legitimation der Sicherstellung sowie der förmlichen Beschlagnahme von Beweisgegenständen ist in § 94 StPO geregelt. Diese Vorschrift gilt seit Inkrafttreten der Strafprozessordnung im Jahre 1879 inhaltlich unverändert. Begrenzt wird die Beschlagnahmefähigkeit von Beweismitteln insbesondere durch § 97 StPO. Die Vorschriften lauten:
§ 94 StPO
(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.
(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.
§ 97 StPO
(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht
1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 oder § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b das Zeugnis verweigern dürfen;
2. Aufzeichnungen, welche die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt;
3. andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten erstreckt.
(2) Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Der Beschlagnahme unterliegen auch nicht Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte, Zahnärzte, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam einer Krankenanstalt oder eines Dienstleisters, der für die Genannten personenbezogen Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt, sind, sowie Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und 3b genannten Personen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam der in dieser Vorschrift bezeichneten Beratungsstelle sind. Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig sind oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.
(3) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitglieder des Bundestages, eines Landtages oder einer zweiten Kammer reicht (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4), ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, soweit die in § 53a Genannten das Zeugnis verweigern dürfen.
(5) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken, Ton-, Bild- und Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen, die sich im Gewahrsam dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, unzulässig. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend; die Beschlagnahme ist jedoch auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Die Beschlagnahme von Computerdateien ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Lediglich der durch das Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25. Juli 1975 (BGBl I S. 1973) novellierte § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO nennt Datenträger als Zugriffsobjekte, die unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift einem Beschlagnahmeverbot unterliegen können.
In der Rechtspraxis wird der Datenträger als Gegenstand der strafprozessualen Sicherstellung und Beschlagnahme gemäß § 94 StPO behandelt. Allerdings ist das strafprozessuale Eingriffsregime wegen der erheblichen Streubreite des Informationsgehalts eines Datenträgers hierauf nicht zugeschnitten. In der Regel haben lediglich bestimmte auf dem Datenträger gespeicherte Daten einen für das Verfahren erheblichen Beweiswert. In diesem Zusammenhang erlangt auch die Regelung des § 108 StPO über so genannte Zufallsfunde Bedeutung. Sie lautet:
§ 108 StPO
(1) Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die zwar in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten, so sind sie einstweilen in Beschlag zu nehmen. Der Staatsanwaltschaft ist hiervon Kenntnis zu geben. Satz 1 findet keine Anwendung, soweit eine Durchsuchung nach § 103 Abs. 1 Satz 2 stattfindet.
(2) Werden bei einem Arzt Gegenstände im Sinne von Absatz 1 Satz 1 gefunden, die den Schwangerschaftsabbruch einer Patientin betreffen, ist ihre Verwertung in einem Strafverfahren gegen die Patientin wegen einer Straftat nach § 218 des Strafgesetzbuches ausgeschlossen.
Die Vorschrift sichert die Verwertbarkeit von zufällig am Durchsuchungsort aufgefundenen Beweismitteln für andere Straftaten als diejenigen, die den Anlass für die Durchsuchung gegeben haben. Beim Zugriff auf elektronische Datenträger kann eine Recherche faktisch einer gezielten Suche nach "Zufallsfunden" nahe kommen. Betroffen sein können hiervon neben den Daten der nichtbeschuldigten Berufsträger auch die Daten von Mandanten, die mit dem verfahrensbezogenen Vorwurf in keinem Zusammenhang stehen.
Der Prüfung, ob die vorläufig sichergestellten Gegenstände als Beweismittel zu beschlagnahmen sind, dient § 110 StPO. Ursprünglich war die Durchsicht dem Ermittlungsrichter vorbehalten. Der Richtervorbehalt wurde durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 1974 (BGBl I S. 3393) abgeschafft. Danach war für die Durchsicht die Staatsanwaltschaft zuständig, sofern nicht der betroffene Inhaber die Durchsicht durch andere Beamte genehmigte. § 110 StPO hatte in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung folgenden Wortlaut:
§ 110 StPO a.F.
(1) Die Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht der Staatsanwaltschaft zu.
(2) Andere Beamte sind zur Durchsicht der aufgefundenen Papiere nur dann befugt, wenn der Inhaber die Durchsicht genehmigt. Andernfalls haben sie die Papiere, deren Durchsicht sie für geboten erachten, in einem Umschlag, der in Gegenwart des Inhabers mit dem Amtssiegel zu verschließen ist, an die Staatsanwaltschaft abzuliefern.
(3) Dem Inhaber der Papiere oder dessen Vertreter ist die Beidrückung seines Siegels gestattet; auch ist er, falls demnächst die Entsiegelung und Durchsicht der Papiere angeordnet wird, wenn möglich, zur Teilnahme aufzufordern.
Das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl I S. 2198) hat mit Wirkung zum 1. September 2004 auch den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft auf deren Anordnung die Kompet