Zur Frage der Zulässigkeit des Arzneimittel-Versandhandels
Leitsatz
Zur Frage der Zulässigkeit des Arzneimittel-Versandhandels
Tenor
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Sachverhalt
Der Kläger wendet sich gegen eine apothekenrechtliche Ordnungsverfügung, mit der ihm der Beklagte aufgegeben hat, den Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in der Selbstbedienung zu unterlassen.
Der Kläger ist selbstständiger Apotheker. Bei einer amtlichen Überprüfung im April 2003 stellte der Beklagte fest, dass in der Apotheke des Klägers zum wiederholten Mal zahlreiche apothekenpflichtige Arzneien im Wege der Selbstbedienung angeboten wurden. Daraufhin untersagte er dem Kläger mit Ordnungsverfügung vom 8. Mai 2003, als "apothekenpflichtig" gekennzeichnete Arzneimittel in der Selbstbedienung feilzubieten und forderte ihn auf, davon erfasste Medikamente aus der Freiauslage zu entfernen. Zur Begründung stützte sich der Beklagte auf das Verbot der Selbstbedienung nach § 17 Abs. 3 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Der vom Kläger erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage mit Urteil vom 7. Dezember 2007 als unbegründet abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es: Die Ordnungsverfügung sei rechtmäßig. § 69 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ermächtige den Beklagten zum Erlass der Untersagungsverfügung, weil dem Kläger nach § 17 Abs. 3 ApBetrO verboten sei, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege der Selbstbedienung in den Verkehr zu bringen. Die Verbotsregelung sei mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie sei durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Das Verbot gewährleiste im Interesse der Arzneimittelsicherheit, dass der Apotheker seinen Beratungspflichten vor der Kaufentscheidung des Kunden nachkommen könne und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die Beratung noch die Funktion einer umfassenden Information und Kaufempfehlung erfüllen könne. Der ungehinderte Zugriff auf in der Selbstbedienung angebotene apothekenpflichtige Arzneien begründe die Gefahr, dass insbesondere bei größerem Kundenandrang in der Eile des Bezahlvorgangs die Beratung unterbleibe. Zudem sei ein unkritischer, den Beratungsbedarf unterschätzender und gefährlicher Arzneimittelkonsum zu besorgen, weil dem Kunden mit der Selbstbedienung suggeriert werde, es handele sich um gefahrlose Waren. Die Angebotsform der Selbstbedienung könne außerdem dazu führen, dass der Kunde bei der Wahl des Arzneimittels von Äußerlichkeiten wie der Aufmachung der Verpackung beeinflusst werde und dadurch ein falsches oder ungeeignetes Medikament auswähle. Die Zulassung des Arzneimittel-Versandhandels habe zwar dazu geführt, dass es in der freien Entscheidung des Kunden liege, ob und in welchem Umfang er das Beratungsangebot des Apothekers in Anspruch nehmen wolle. Der Versandhandel werde aber typischerweise für den Bezug von Arzneimitteln genutzt, die der Kunde bereits kenne und bei denen er daher keinen Beratungsbedarf sehe. Demgegenüber würden in der Präsenzapotheke häufig Medikamente erworben, mit deren Anwendung der Kunde nicht vertraut sei. Umso wichtiger sei hier eine vorherige Beratung, die nur bei Ausschluss der Selbstbedienung hinreichend sichergestellt sei. Wegen dieser Unterschiedlichkeit unterliege das Selbstbedienungsverbot auch unter dem Blickwinkel von Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken.
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Die angefochtene Untersagungsverfügung sei rechtswidrig. Es sei mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass das Selbstbedienungsverbot auch für nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel gelte. Das Berufungsurteil stelle auf das überholte Leitbild vom "Apotheker in seiner Apotheke" ab. Angesichts der Zulassung des Versandhandels lasse sich nicht mehr argumentieren, der Kunde müsse das Arzneimittel aus der Hand des Apothekers oder seines pharmazeutischen Personals erhalten. Die Monopolkommission habe in ihrem Hauptgutachten für das Jahr 2004/2005 ausdrücklich angeregt, nichtverschreibungspflichtige Arzneien aus der Apothekenpflicht zu entlassen, zumindest aber das Selbstbedienungsverbot aufzuheben. Der Bericht weise darauf hin, dass in der Praxis beim Verkauf dieser Medikamente oft keine Beratung stattfinde, weil sie vom Kunden nicht gewünscht werde. Darüber hinaus sei es widersprüchlich, das Selbstbedienungsverbot damit zu begründen, bei Apotheken handele es sich nicht um gewerbliche, wirtschaftlich geprägte Betriebe im üblichen Sinne, wenn andererseits Werbung für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig sei und für diese Artikel keine Preisbindung mehr bestehe. Sei danach eine Förderung des Wettbewerbs erwünscht und die Schaffung von Kaufanreizen ein legitimes Ziel, sei es nur folgerichtig, auch die verkaufsfördernde Angebotsform der Selbstbedienung zuzulassen. Die Erfordernisse einer hinreichenden Information und Beratung des Kunden könnten ein Selbstbedienungsverbot nicht rechtfertigen; denn durch die Anwesenheit des Apothekers und seines Personals sei auch bei der Selbstbedienung eine Beratung ausreichend gewährleistet.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält das angegriffene Urteil in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit für richtig. Es liege innerhalb des gesetzgeberischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums, das Selbstbedienungsverbot für nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel beizubehalten. Die Angebotsform der Selbstbedienung ziele vorrangig darauf ab, den Arzneimittelkonsum zu fördern und zu steigern; sie stehe daher im Widerspruch zum System der kontrollierten Arzneimittelabgabe. Eine Kontrolle erst beim Bezahlvorgang wäre faktisch schwer umsetzbar. Der Eingriff in die Berufsausübung sei geringfügig und belaste den Kläger nicht unzumutbar. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Abgabeformen des Versandhandels und der Selbstbedienung würden sich erheblich unterscheiden, weil beim Versandhandel vielfältige Sicherheitsmechanismen eingebaut seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Untersagungsverfügung des Beklagten rechtmäßig ist. Das ihr zugrunde liegende gesetzliche Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege der Selbstbedienung in den Verkehr zu bringen, verletzt den Kläger nicht in Grundrechten.
1. Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung ist § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Die Ermächtigung erstreckt sich auch auf die Überwachung der ordnungsgemäßen Abgabe von Arzneimitteln und ordnungsrechtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen das Apothekenrecht (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 31.09 - GewArch 2010, 414 Rn. 11 m.w.N.).
2. Das Anbieten apothekenpflichtiger Arzneimittel in der Freiauslage verstößt gegen § 17 Abs. 3 ApBetrO, § 52 Abs. 1 Nr. 2 AMG.
a) Nach § 17 Abs. 3 ApBetrO - in der hier wegen des zu überprüfenden Dauerverwaltungsakts maßgeblichen Fassung des Art. 1 der Verordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl I S. 1254; Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 3 C 9.04 - Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 S. 2 m.w.N.) - darf der Apothekenleiter Arzneimittel und Medizinprodukte, die der Apothekenpflicht unterliegen, nicht im Wege der Selbstbedienung in den Verkehr bringen. § 4 Abs. 17 AMG definiert als Inverkehrbringen das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Selbstbedienung im Sinne des § 17 Abs. 3 ApBetrO meint jede Form der Warenauslage, bei der der Kunde - anders als bei der Aushändigung durch das Apothekenpersonal über die Ladentheke - Arzneimittel selbst aussuchen, frei entnehmen und zur Bezahlung vorlegen kann (vgl. Cyran/Rotta, Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, Stand: April 2010, § 17 Rn. 451). Der Apothekenpflicht unterliegen Arzneimittel (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AMG), die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben und für den Endverbrauch bestimmt sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG). Dazu gehören Arzneimittel, die nur auf ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verschreibung an den Verbraucher abgegeben werden dürfen (vgl. § 48 AMG), sowie sonstige Arzneimittel, die nur in Apotheken abgegeben werden dürfen (nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneien).
Hiernach steht außer Frage, dass sich das Verbot des § 17 Abs. 3 ApBetrO auch auf das mit der angefochtenen Verfügung untersagte Feilbieten von Medikamenten erstreckt, die mit dem Hinweis "apothekenpflichtig" versehen sind. Damit sind, wie sich § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 AMG entnehmen lässt, nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel gemeint.
b) Das Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel in der Selbstbedienung zum Verkauf anzubieten, ergibt sich darüber hinaus aus § 52 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 AMG. Gemäß § 52 Abs. 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht durch Automaten (Nr. 1) und nicht durch andere Formen der Selbstbedienung in den Verkehr gebracht werden (Nr. 2). Davon ausgenommen sind bestimmte Fertigarzneimittel (§ 52 Abs. 2 AMG). Ferner gilt § 52 Abs. 1 Nr. 2 AMG unter den in § 52 Abs. 3 AMG näher bezeichneten Voraussetzungen nicht für Arzneimittel, die für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind. Das bedeutet, dass § 52 Abs. 1 Nr. 2 AMG auch auf die Arzneimittelabgabe in Apotheken Anwendung findet (anders noch die Vorgängerregelung des § 52 AMG 1976, die offen ließ, was in dieser Hinsicht für Apotheken gelten sollte; vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 - 1 BvL 25/84 - BVerfGE 75, 166 <174 f.>).
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Selbstbedienungsverbot mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG auch insoweit vereinbar ist, als es die Abgabe apothekenpflichtiger, aber nichtverschreibungspflichtiger Medikamente betrifft (auch als OTC-Arzneimittel bezeichnet, von engl. "over the counter" - "über die Ladentheke" verkauft). Die Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln steht dem nicht entgegen.
a) Die Einbeziehung nichtverschreibungspflichtiger apothekenpflichtiger Arzneimittel in das Selbstbedienungsverbot beschränkt die Apotheker nicht unzulässig in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Das Verbot ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig.
Es bezweckt im Interesse einer geordneten Arzneimittelversorgung und damit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, eine unkontrollierte Arzneimittelabgabe zu verhindern und eine fachkundige Information und Beratung durch den Apotheker oder sein pharmazeutisches Personal sicherzustellen (vgl. die amtliche Begründung zu § 10 Abs. 2 ApBetrO a.F., BRDrucks 325/68 S. 8; Materialien zum Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts, BTDrucks 7/3060 S. 57 <zu § 49 AMG-E 1976> und BTDrucks 7/5324 S. 2 f. <zu § 52 Abs. 3 AMG 1976>; amtliche Begründung zu § 52 AMG i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BTDrucks 11/5373 S. 17). Das sind gesundheitspolitische Erwägungen, die die mit dem Selbstbedienungsverbot verbundene Beschränkung der beruflichen Betätigungsfreiheit der Apotheker rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 14. April 1987 a.a.O. S. 177 f.; zur Beratungsfunktion des Apothekers auch Beschluss vom 7. Januar 1959 - 1 BvR 100/57 - BVerfGE 9, 73 <79 f.>). Den Apotheken obliegt nach § 1 Abs. 1 ApoG, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einschließlich der erforderlichen Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln (vgl. § 1 AMG) zu gewährleisten. Hierbei kommt der Beratungsfunktion des Apothekers eine wichtige Bedeutung zu. Der Apothekenleiter hat dafür Sorge zu tragen, dass Patienten und andere Kunden hinreichend über Arzneimittel informiert und beraten werden (§ 20 Abs. 1 ApBetrO). Die Beratung muss die notwendigen Informationen über die sachgerechte Anwendung des Medikaments umfassen, soweit erforderlich auch über eventuelle Neben- oder Wechselwirkungen.
Dies gilt in besonderem Maße für Arzneimittel, die ohne Verschreibung abgegeben werden. Im Falle der Selbstmedikation ist auch festzustellen, ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint und ob ihr anzuraten ist, einen Arzt aufzusuchen (§ 20 Abs. 1a Satz 2, Abs. 2 ApBetrO). Es steht außer Frage, dass eine fachkundige Information und Beratung des Verbrauchers das Risiko minimiert, ein ungeeignetes Medikament oder ein an sich geeignetes fehlerhaft anzuwenden. Das gilt namentlich für nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel; denn hier besteht ein erhöhter Beratungsbedarf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. - BVerfGE 107, 186 <202>). Der Gesetzgeber ist daher nicht gehindert, im Interesse des Gesundheitsschutzes Vorkehrungen zu treffen, die auf eine Nutzung des Beratungsangebots durch den Kunden hinwirken und so einer unsachgemäßen Arzneimittelanwendung vorbeugen. Er darf Rahmenbedingungen schaffen, die die Beratungsfunktion der Apotheke stärken und das Zustandekommen eines Beratungsgesprächs fördern. Das ist beim Selbstbedienungsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel der Fall, weil der Kunde gehalten ist, sich vor einer Kaufentscheidung zunächst an den Apotheker oder sein pharmazeutisches Personal zu wenden. Geschützt werden dadurch gerade auch Personen, die informations- und beratungsbedürftig sind, sich dessen jedoch nicht bewusst sind oder davor zurückscheuen, einen Informations- und Beratungsbedarf zu erkennen zu geben. Diese Schutzfunktion des Kaufgesprächs entfällt bei der Selbstbedienung. Es ist im Gegenteil zu besorgen, dass der Kunde nach dem ungehinderten Zugriff auf das feilgebotene Arzneimittel für eine Beratung im Nachhinein wenig empfänglich ist. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, allein den bei dieser Erwerbsart verbleibenden Kontakt mit dem Apothekenpersonal beim Bezahlen der Ware als ausreichend für die Wahrung der Beratungsfunktion der Apotheke anzusehen, zumal die nicht selten zeitlich und räumlich bedrängte Situation an der Kasse einem Beratungsgespräch abträglich ist. Ein zusätzliches Risiko der Selbstbedienung besteht darin, dass der Kunde infolge Unkenntnis oder einer Verwechslung auf ein ungeeignetes Medikament zugreift.
Gegen die Erforderlichkeit des Selbstbedienungsverbots lässt sich weder anführen, dass nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung unterfallen (§ 1 Abs. 4 AMPreisV), noch dass sie nach Maßgabe des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz - HWG) beworben werden dürfen. Wenn der Gesetzgeber mit Rücksicht auf die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker den Einsatz bestimmter wettbewerblicher Instrumentarien zulässt, zwingt ihn das nicht dazu, Arzneimittel auch ansonsten in derselben Art und Weise zum Verkauf zuzulassen wie beliebige andere im Einzelhandel vertriebene Gegenstände. Vielmehr bleiben sie eine Ware besonderer Art, von der nicht unerhebliche Gefahren ausgehen (vgl. Urteile vom 22. Januar 1998 - BVerwG 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141 <145> und vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213 Rn. 29).
Das Selbstbedienungsverbot beschränkt den Kläger auch nicht unzumutbar in seiner Berufsausübung. Seinem Interesse, durch die Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstbedienung seine Kundenorientierung herauszustellen und den Umsatz zu erhöhen, sind durch § 1 Abs. 1 ApoG Grenzen gesetzt (Urteile vom 29. September 1994 - BVerwG 3 C 1.93 - BVerwGE 96, 372 <377 f.> und vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09 - a.a.O. Rn. 32). Diese Belange müssen hinter der mit § 17 Abs. 3 ApBetrO, § 52 Abs. 1 Nr. 2 AMG bezweckten Sicherheit der Arzneimittelabgabe zurückstehen, zumal dem Apotheker mit den freiverkäuflichen Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren wie Körperpflegemitteln oder nichtapothekenpflichtigen Medizinprodukten (§ 1a Abs. 10 Nr. 1, Nr. 3 ApBetrO) Geschäftsfelder verbleiben, die dem Selbstbedienungsverbot nicht unterliegen. Das Verbot trifft zudem alle Apotheker gleichermaßen, so dass von ihm keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen ausgehen.
b) Die Zulassung des Arzneimittel-Versandhandels durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190; vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 11a ApoG, § 17 Abs. 2a ApBetrO) führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Bewertung. Der von dem Kläger geltend gemachte Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Zwar können faktische Neuerungen im Arzneimittelvertrieb und sie nachvollziehende Rechtsvorschriften Bedeutung gewinnen für die Frage, ob Beschränkungen der Arzneimittelabgabe (weiterhin) nach Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind. Gefahreneinschätzungen sind nicht (mehr) schlüssig, wenn identischen oder vergleichbaren Gefährdungen in denselben oder in anderen, aber dieselbe Materie betreffenden Gesetzen unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O. S. 197). Das ist hier aber nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat die dem Selbstbedienungsverbot zugrunde liegende Gefahrenbewertung auch in der Reglementierung des Arzneimittelversandhandels nachvollzogen und den Erwerb apothekenpflichtiger Medikamente im Versandhandel weitgehend an den Kauf in der Präsenzapotheke angeglichen. Eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Arzneimittelabgabe in der Präsenzapotheke ist danach nicht ersichtlich (ebenso für das Selbstbedienungsverbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 PflSchG a.F. <nunmehr § 23 Abs. 2 Satz 1 PflSchG>: Urteil vom 27. August 2009 - BVerwG 7 C 1.09 - Buchholz 424.4 PflSchG Nr. 6 Rn. 28).
(1) Der Gesetzgeber hat mit der mit rechtlichen Vorgaben verbundenen Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneien bezweckt, den Verbraucherschutz und die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. In der amtlichen Begründung des GKV-Modernisierungsgesetzes heißt es hierzu, dass der Verbraucher durch einen geregelten, kontrollierten und überwachten Versandhandel einschließlich des elektronischen Handels mit Arzneimitteln besser als bisher geschützt werden könne. Es sollte der geänderten Situation im Gesundheitswesen Rechnung getragen werden, die dadurch gekennzeichnet war, dass Verbraucher in zunehmendem Maße über das Internet sowohl verschreibungspflichtige als auch nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Ausland bestellten. Der Gesetzgeber sah in diesem nicht geregelten und überwachten Arzneimittelhandel ein unkalkulierbares Risiko für die Verbraucher (BTDrucks 15/1525 S. 165 <zu § 43 AMG>; darauf bezugnehmend a.a.O. S. 160 f. <zu § 11a ApoG>). Aus der Zulassung des Versandhandels lässt sich somit nicht ableiten, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Gefahren, die mit der Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel verbunden sind, zu einer veränderten Einschätzung gelangt wäre. Vielmehr zeigt sich darin das Bestreben, die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz weiter zu erhöhen. Dem steht nicht entgegen, dass mit der Einführung des Versandhandels ein persönlicher, direkter Kontakt mit dem Apotheker nicht mehr zwingende Voraussetzung der Arzneiabgabe ist und die Inanspruchnahme der pharmazeutischen Beratung in die Entscheidung des Kunden gestellt ist (vgl. dazu Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09 - a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte nämlich zugrunde legen, dass der Kunde im Versandhandel häufig nicht beratungsbedürftig ist, weil er mit den bestellten Arzneien bereits vertraut ist (vgl. BTDrucks 15/1525 S. 161 mit dem Hinweis auf chronisch Kranke und wiederholte Medikationen; Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09 - a.a.O. Rn. 22). Demgegenüber ist bei der Präsenzapotheke in Rechnung zu stellen, dass viele ihrer Kunden sie kurzfristig wegen akuter gesundheitlicher Beschwerden aufsuchen und dementsprechend ein erhöhter Informations- und Beratungsbedarf besteht. Dieser Kundenkreis wird schon deshalb selten die Bestellung im Versandhandel wählen, weil das Medikament wegen der Lieferzeit (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 3 ApoG) nicht sofort bereitsteht.
(2) Unabhängig davon war der Gesetzgeber bestrebt, den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln weitgehend dem Kauf in der Apotheke anzugleichen. So unterliegt auch die Arzneiabgabe im Versandhandel der uneingeschränkten Kontrolle durch den Apotheker. Nach § 11a ApoG muss der Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel aus einer öffentlichen Apotheke erfolgen. Der Gesetzgeber verzichtet lediglich darauf, den Abgabevorgang räumlich an die Präsenzapotheke zu binden. Er verlangt aber wie beim Kauf vor Ort, dass die Medikamente institutionell durch die Apotheke und verantwortlich durch den Apothekenleiter und dessen Personal abgegeben werden (Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 3 C 27.07 - BVerwGE 131, 1 Rn. 25). Die Vertriebsform des Versandhandels ist mit der Abgabe im Wege der Selbstbedienung auch nicht vergleichbar. Zwar mag man gewisse Anklänge darin sehen, dass der Kunde bei einer Bestellung über das Internet einen virtuellen Einkaufskorb füllen kann. Darin liegt aber kein freier Warenzugriff, wie er für die Selbstbedienung kennzeichnend ist; denn eine Aushändigung des ausgesuchten Medikaments ist damit gerade nicht verbunden. An die Bestellung im Versandhandel schließt sich die Kontrolle durch den Apotheker an, einschließlich der Prüfung, ob eine pharmazeutische Information und Beratung geboten ist. Erst nach der von ihm verantworteten Freigabe zum Versand folgt die Auslieferung und Aushändigung an den Kunden.
Darüber hinaus zeigen besondere Regelungen zur pharmazeutischen Beratung, dass der Normgeber diesem Aspekt auch beim Versandhandel eine wichtige Bedeutung beimisst. Nach § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO ist der Patient ausdrücklich auf die Möglichkeit der Beratung hinzuweisen. Mit der Änderungsverordnung vom 5. Juni 2012 (BGBl I S. 1254) ist ergänzend eingefügt worden, dass der Patient als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit seiner Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der er beraten werden kann. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beratung durch pharmazeutisches Personal in deutscher Sprache erfolgt (§ 11a Satz 1 Nr. 2 Buchst. d ApoG). Des Weiteren ist vorgeschrieben, dass eine Versendung nicht erfolgen darf, wenn zur sicheren Anwendung des Arzneimittels ein Informations- oder Beratungsbedarf besteht, dem auf einem anderen Wege als einer persönlichen Information oder Beratung durch einen Apotheker nicht Rechnung getragen werden kann (§ 17 Abs. 2a Satz 2 ApBetrO). Abgesehen davon gelten auch im Versandhandel die allgemeinen Bestimmungen über die Information und Beratung nach § 20 ApBetrO.
c) Unerheblich für die Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Verbots ist schließlich, ob eine andere Regelung verfassungsrechtlich zulässig wäre, also ob die Abgabe nichtverschreibungspflichtiger apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege der Selbstbedienung unter dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit hingenommen werden könnte; denn die Einschätzung der zu besorgenden Gefahren obliegt ebenso wie die Wahl der Mittel zu ihrer Beherrschung vorrangig dem Normgeber. Die Grenze seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums ist (erst) erreicht, wenn seine Anschauungen offensichtlich fehlsam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 30.09 - BVerwGE 137, 213 Rn. 30 m.w.N.). Dafür ist hier, wie ausgeführt, nichts ersichtlich. Der Kläger beruft sich daher auch erfolglos darauf, dass sich die Monopolkommission (16. Hauptgutachten 2004/2005, BTDrucks 16/2460 Rn. 1163; 18. Hauptgutachten 2008/2009, BTDrucks 17/2600 Rn. 27, 36) für eine Aufhebung des Selbstbedienungsverbots für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel ausgesprochen hat. Im Übrigen beruht die Empfehlung auf rein wettbewerblichen und ökonomischen Erwägungen, die nicht gegen die Anforderungen der Arzneimittelsicherheit aufgewogen werden können (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zu dem 16. Hauptgutachten, BTDrucks 16/5881 Rn. 51 f.).