Veröffentlichung von Grabstein-Fotos auf Webseite erlaubt
Leitsatz
Die Veröffentlichung von Grabstein-Fotos auf einer Webseite ist grundsätzlich erlaubt.
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) hat das Amtsgericht Mettmann im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 09.06.2015 durch (...) für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrunddes Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Sachverhalt
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Veröffentlichung einer Fotografie des Grabsteines ihrer Eltern auf der Internetseite der Beklagten.
Der Beklagte ist ein Verein für Ahnenforschung, der sich u.a. mit der Erstellung einer Grabstein-Datenbank befasst und in diesem Zusammenhang auf der Internetseite (...) Fotografien von Grabsteinen im gesamten Bundesgebiet veröffentlicht. Die Klägerin ist die Tochter der 1968 und 1997 verstorbenen Eheleute (...). Beide sind auf dem katholischen Friedhof (...) beerdigt.
Wegen des Inhalts der dort geltenden Friedhofsordnung wird auf Bl. 97 ff. d.A. Bezug genommen. Auf der Grabstätte befindet sich ein Grabstein, in den die Vor- und Zunamen der verstorbenen Eheleute eingraviert sind. Die Klägerin ist Nutzungsberechtigte der Grabstelle und Eigentümerin des Grabsteins.
Der Beklagte veröffentlichte auf seiner Internetseite eine Fotografie des vorgenannten Grabsteins. Dies führt dazu, dass die Internetseite des Beklagten der erste Treffer bei einer Eingabe der Namen der verstorbenen Eheleute in der Suchmaschine www.google.de ist.
Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 12. Juni 2013 erfolglos zur Entfernung der Fotografie sowie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Auch die erneute Aufforderung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 2013 blieb erfolglos.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, das auf der auf seinen Namen betriebenen Internetseite (...) befindliche Lichtbild des Grabsteins des Grabes der Eheleute (...) zu entfernen;
2. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, Lichtbilder des Grabsteins der Eheleute (...) im Internet oder sonst wie öffentlich zur Schau zu stellen;
3. dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird;
4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,81 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, er habe keine eigenen Gewinne erzielt und auch nicht Gewinnerzielungsabsichten Dritter gefördert.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 1, 3 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist für die Wertfestsetzung nicht sein Interesse an der Entscheidung, sondern das der Klägerin entscheidend (vgl. Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 3 Rn. 6). Anhaltspunkte für eine Abweichung von der Bezifferung durch die Klägerin bestehen nicht.
2.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Entfernung bzw. Unterlassung der öffentlichen Zurschausteilung des Lichtbildes mit dem Grabstein ihrer Eltern zu.
a) Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus einem quasinegatorischen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch analog §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der verstorbenen Eltern der Klägerin.
Das Fotografieren des Grabsteins und die anschließende Veröffentlichung des Lichtbildes im Internet stellen keinen Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht der Eltern der Klägerin dar.
aa) Das postmortale Persönlichkeitsrecht setzt den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über den Tod hinaus fort. Im Unterschied zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist Prüfungsmaßstab für das postmortale Persönlichkeitsrecht jedoch ausschließlich Art. 1 Abs. 1 GG, da keine handelnde Person mehr existiert. Das lebzeitige Recht zur Selbstbewahrung, Selbstbestimmung und Selbstdarstellung geht in den Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, d.h. den Schutz des Lebens- und Charakterbildes des Verstorbenen über. Das Andenken an den Verstorbenen wird gegen Angriffe auf seinen durch die Lebensleistung erworbenen Geltungswert und die ihm als Mensch allgemein geschuldete Achtung geschützt. So ist das Persönlichkeitsbild gegen grob ehrverletzende Entstellungen für einen angemessenen Zeitraum weiter geschützt. Mit zunehmendem Abstand vom Todeszeitpunkt vermindert sich de Schutz, er ist jedoch nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 823 Rn. 90).
bb) Der Geltungswert der verstorbenen Eltern der Klägerin wird durch das Fotografieren des Grabsteins sowie die Veröffentlichung des Lichtbildes des Grabsteins nicht beeinträchtigt. Die Internetseite enthält keine Aussage zu der Persönlichkeit der verstorbenen Eltern der Klägerin, sodass deren Persönlichkeitsbild dadurch auch nicht verzerrt werden kann. Die Veröffentlichung des Lichtbildes auf der Internetseite erfolgte im Rahmen der Erstellung einer Grabsteindatenbank. Diese gibt lediglich die von den Grabsteinen ersichtlichen Informationen in Schrift und Bild wieder. Es wird dabei auch nicht der Eindruck erweckt, dass die auf den Grabsteinen genannten Personen in irgendeiner Verbindung zu dem Beklagten als Betreiber der Internetseite standen.
cc) Damit scheidet auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus. Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erlischt entsprechend den obigen Ausführungen grundsätzlich mit dem Tod des Menschen. Allein die Menschenwürde als Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wirkt über den Tod hinaus (vgl. Ambs in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 201. Ergänzungslieferung Januar 2015, § 3 BDSG Rn. 1).
Die Menschenwürde der Eltern der Klägerin ist aus den obigen Erwägungen jedoch nicht beeinträchtigt. Im Übrigen ist selbst das Recht eines Lebenden auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt, wenn die Abbildung wie vorliegend nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zu Tage tritt. Maßgeblich ist, ob die Betroffenen nach den konkreten Gegebenheiten die begründete und für Dritte erkennbare Erwartung hegen dürfen, dass ihre privaten Verhältnisse den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleiben und von ihr nicht zur Kenntnis genommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2006, 1 BvR 507/01, NJW 2006, 2836 ff.). Diese Erwartung liegt fern, wenn der Grabstein wie vorliegend für jedermann von öffentlich zugänglichen Stellen einsehbar ist.
Eine Verletzung des Namensrechts durch die Namensnennung auf der Internetseite scheidet jedenfalls deswegen aus, weil die bloße Namensverwendung in einem neutralen Zusammenhang keine von § 12 BGB erfasste Verletzungshandlung (wie eine Namensleugnung oder eine Namensanmaßung) darstellt. Im Übrigen endet der Schutz des Namensrechtes im Zweifel analog § 22 S. 3 KUG 10 Jahre nach dem Tod des Namensträgers. Die Eltern der Klägerin sind vorliegend seit 18 bzw. 47 Jahren tot.
ee) Das Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KUG betrifft allein Abbilder der Person und nicht Abbilder von Gegenständen.
ff) Die Handlungen des Beklagten waren auch gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG datenschutzrechtlich zulässig. Es fehlt an einem offensichtlichen Überwiegen der schutzwürdigen Interessen der verstorbenen Eltern der Klägerin gegenüber den berechtigten Interessen des Beklagten, da das postmortale Persönlichkeitsrecht entsprechend den obigen Ausführungen nicht beeinträchtigt ist.
b) Für einen quasi-negatorischen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch analog §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m.Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung ihres eigenen allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen.
c) Die Klägerin kann schließlich von dem Beklagten auch nicht aus einer Eigentumsverletzung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB Beseitigung und Unterlassung verlangen.
Die Klägerin ist zwar Eigentümerin des Grabsteins, da dieser rechtlich gemäß § 95 Abs. 1 BGB Scheinbestandteil des Friedhofsgrundstücks ist. Das Fotografieren und Einstellen des Lichtbildes auf der Internetseite stellt jedoch keine Verletzung des Eigentumsrechts an dem Grabstein dar.
Eine Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 BGB ist jeder dem Inhalt des Eigentums widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers. Eine Einwirkung auf die Sachsubstanz ist nicht erforderlich (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 1004 Rn. 6). Das Eigentum berechtigt den Eigentümer gemäß § 903 BGB, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen.
Das Fotografieren einer fremden Sache und das Einstellen des Lichtbildes auf einer Internetseite lässt die Sachsubstanz unberührt. Es hat auch keine Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst. Es hindert den Eigentümer nicht daran, mit dem Gegenstand weiter nach Belieben zu verfahren und stört ihn nicht in seinem Besitz.
Die Ablichtung eines Gegenstands nutzt allenfalls einen in der Sache verkörperten immateriellen Wert. Dieser Wert ist jedoch nicht dem Eigentümer, sondern dem Urheber zugewiesen (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage 2013, 6. Auflage 2013, § 823 Rn. 177).
Ein ausschließliches Recht, Abbilder herzustellen und zu verwerten, wie es den Inhabern von Urheber- und Immaterialgüterrechten zusteht, steht dem Sacheigentümer grundsätzlich nicht zu (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 30. August 2012, 35a C 332/11, MMR 2012, 836 ff.). Nach der Rechtsprechung des BGH gibt es grundsätzlich kein "Recht am Bild der eigenen Sache".
Nur ausnahmsweise steht dem Grundstückseigentümer das ausschließliche Recht zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen zu, wenn diese von seinem Grundstück aus angefertigt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010, V ZR 45/10, NJW 2011, 749 ff.). Nach dieser Rechtsprechung ist danach zu unter scheiden, ob das Grundstück zur Anfertigung der Fotografien betreten wird oder ob die Fotografien von einer anderen (allgemein zugänglichen) Stelle aus gefertigt wer den. Dies folge aus einer Parallelwertung zu § 59 UrhG, dessen urheberrechtliche Freistellung nicht eigentumsrechtlich unterlaufen werden könne. Das Verwertungsrecht beruhe auf dem Grundstückseigentum selbst, das zur Fruchtziehung berechtige. Zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht werde das Recht des Grundstückseigentümers, wenn Lage und Nutzung seines Grundstücks rein tatsächlich dazu füh ren, dass verwertungsfähige Bilder nur von seinem eigenen Grundstück und nicht von öffentlichen Plätzen oder anderen Grundstücken aus angefertigt werden können.
Diese Rechtsprechung ist auf bewegliche Sachen wie den streitgegenständlichen Grabstein nicht übertragbar (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 30. August 2012, 35a C 332/11, MMR 2012, 836 ff.). Vorliegend fehlt es schon an einer Eigentümerstellung der Klägerin in Bezug auf das Grundstück, auf dem sich der Grabstein befindet. Selbst eine solche Eigentümerstellung der Klägerin unterstellt, käme das Grundstückseigentum jedoch nicht als Grundlage eines Verwertungsrechts in Betracht, da die Fruchtziehung aus den sich auf dem Grundstück befindlichen beweglichen Sachen dem Sacheigentümer und nicht dem Grundstückseigentümer zusteht. Bezüglich des Sacheigentums können die Erwägungen, ob das Eigentum zur Anfertigung der Lichtbilder betreten werden muss, nicht übertragen werden. Nur der Grundstückseigentümer kann das Betreten seines Grundstücks auf Grundlage seines Hausrechts unterbinden. Eine vergleichbare Rechtsstellung steht dem Eigentümer einer beweglichen Sache gerade nicht zu.
d) Auch der Kirchengemeine steht mangels Eigentumsverletzung kein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB gegen den Beklagten zu, den die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen könnte.
Die Kirchengemeinde ist nicht Eigentümerin des Grabsteins und kann deswegen durch das Fotografieren desselben und Einstellen des Lichtbildes auf der Internetseite auch nicht in ihrem Eigentum beeinträchtigt sein. Als Grundstückseigentümerin steht ihr kein Verwertungsrecht an den beweglichen Sachen auf ihrem Grundstück zu. Im Übrigen war das Grundstück auch allgemein zugänglich, da die Friedhofsordnung keine Beschränkung der Besucher auf einen bestimmten Personenkreis vorsieht.
Mangels Unterlassungsanspruchs scheidet auch eine Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO aus. Für die Ersatzfähigkeit der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB fehlt es an einer Hauptforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.