Löschungspflichten aus Online-Archiven
Leitsatz
1. Eine zum Zeitpunkt der Berichterstattung zulässiger Pressebericht kann nach Verstreichen eines gewissen Zeitraumes unzulässig werden.
2. Ob ein Unterlassungsanspruch auf Löschung des Artikels aus dem Online-Archiv besteht, hängt wesentlich von der durch den Bericht erzielten Breitenwirkung ab.
3. Das Bereithalten eines solchen Online-Archivs hat jedoch nur begrenzte Breitenwirkung.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 05.09.2005 - 28 O 330/05 - wird zurückgewiesen.
Sachverhalt
s. Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem Antragsteller zu Recht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt, weil die von ihm beabsichtigte Klage nicht über die gemäß § 114 ZPO erforderlichen Erfolgsaussichten verfügt.
Dem Antragsteller steht ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner nicht zu, weil er durch den im Online-Archiv des Antragsgegners zum Abruf bereit gehaltenen Artikel vom 07.08.2001 jedenfalls zur Zeit nicht in rechtswidriger Weise in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
Allerdings hält es der Senat für zweifelhaft, ob der Antragsteller, wie mit dem angefochtenen Beschluss geschehen, mit seinem Unterlassungsbegehren zumindest auf den Ablauf der Bewährungszeit, wenn nicht gar auf den Ablauf der Löschungsfristen im Bundeszentralregister verwiesen werden kann.
Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in seinem Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung verfassungsrechtlichen Schutz genießt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.11.1999 - 1 BvR 348/98 -, NJW 2000, 1859- "Lebach II"), kann bereits der Zeitpunkt der Haftentlassung für die Veröffentlichung identifizierender Berichte über den Straftäter eine besondere Grenze markieren, weil dann der Gesichtspunkt der Resozialisierung vermehrte Bedeutung gewinnt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5.6.1973- 1 BvR 536/72 = BVerfGE 35, 202ff- "Lebach I").
Mit den beiden vorgenannten Fällen ist das Anliegen des Antragstellers jedoch nicht vergleichbar, da sich der Antragsteller nicht gegen eine wiederholte öffentliche Berichterstattung von Seiten des Antragsgegners wendet, sondern gegen die Abrufbarkeit eines zum Zeitpunkt des Tatgeschehens aktuellen Berichts aus dem Online- Archiv des Antragsgegners, die nach Auffassung des Senats keine vergleichbare Breitenwirkung hat.
Der Senat teilt die Auffassung des Kammergerichts Berlin (Beschluss vom 19.10.2001 - 9 W 132/01- wiedergegeben als juris- Fundstelle auf Bl. 45 ff GA), wonach die Herausgabe archivierter Informationen bei zulässigerweise archiviertem, nach äußerungsrechtlichen Maßstäben bei seiner Erstveröffentlichung beanstandungsfreiem Material nach Art. 5 Abs. 1, S. 1 , 3. Var. GG gerechtfertigt und nicht von einem besonderen Informationsinteresse des Dritten abhängig ist, so dass ihr Abruf über Internet nicht von dem Archivbetreiber verhindert werden muss.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1982, 633, 634) wird mit der Archivierung von Druckwerken eine im öffentlichen Interesse stehende Aufgabe erfüllt, denn die Archivierung von Druckwerken dient dazu, jedem Interessierten einen historischen und kulturellen Überblick zu verschaffen. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Einstellung von ehemals aktuellen Internetbeiträgen in das Online-Archiv einer öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt wie dem Antragsgegner; auch hiermit wird - im Wege der modernen Kommunikationstechniken - einem letztlich im öffentlichen Interesse stehenden Auftrag Rechnung getragen.
Es ist unstreitig, dass der Bericht vom 7.8.2001 über das von dem Antragsteller angestrengte "Mordkomplott" den Tatsachen entsprach und auch von seiner Form her zu keinerlei Beanstandungen Anlass gab, so dass seine Archivierung durch den Antragsgegner zulässig ist. Der Antragsteller hat kein Recht darauf, dass der Antragsgegner die Abrufbarkeit des Beitrags über Internet-Suchmaschinen oder den Direktzugang über seine Homepage deshalb unterbindet, weil der Bericht seinen aktuellen Bezug zu der Straftat eingebüßt hat.
Das auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gegründete allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt einem Straftäter keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert und mit seiner Tat "allein gelassen" zu werden (BVerfG, Beschluss vom 25.11.1999 - 1 BvR 348/98- NJW 2000, 1859, 1860 "Lebach II"). Entscheidend kommt es vielmehr, wie oben bereits erwähnt, darauf an, in welchem Maß eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen kann (vgl. dazu auch BVerfG NJW 1998, 2889, 2891), so dass zu prüfen ist, ob die Abrufbarkeit des in dem Archiv des Antragsgegners gespeicherten Artikels über Internet die Gefahr in sich birgt, die Resozialisierung des Antragstellers ernstlich zu stören oder auch zu seiner Stigmatisierung oder sozialen Isolierung zu führen.
Solche Beeinträchtigungen hat der Antragsteller indessen auch mit seiner Beschwerdeschrift nicht dargetan. Der bloße Vortrag, er befinde sich seit dem 25.03.2005 nicht mehr in Haft und versuche seitdem, sich eine Arbeitsstelle zu beschaffen und soziale Strukturen aufzubauen, werde an seiner Resozialisierung aber durch die "permanente Verbreitung des Artikels massiv gefährdet", genügt zur Darlegung nicht. Konkrete Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung als Folge des Beitrags, etwa in dem Sinne, dass er mit Rücksicht auf dessen Inhalt bereits an irgendeiner Stelle abgewiesen worden sei, vermag der Antragsteller nicht aufzuzeigen.
Es spricht auch keine Vermutung dafür, dass die Abrufbarkeit des Beitrags im Internet zwangsläufig zu Schwierigkeiten des Antragstellers bei seiner Resozialisierung führen müsse, zumal das ursprünglich beigefügte Bildnis von dem Antragsteller inzwischen entfernt ist. Der Antragsteller verkennt, dass der Abruf eines solchen nicht mehr aktuellen Berichts aus dem Online- Archiv des Antragsgegners nicht annähernd mit der Breitenwirkung einer erneuten identifizierenden Fernsehberichterstattung zu vergleichen ist, so dass die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5.6.1973 (BVerfGE 35, 202 ff-"Lebach I") entwickelten Grundsätze vorliegend nicht zum Tragen kommen.
Um über Internet- Suchmaschinen (z.B. "Google") problemlos an den archivierten Beitrag zu gelangen, bedarf es der Eingabe von Namen und Vornamen des Antragstellers. Bei Eingabe seines bloßen Nachnamens werden hingegen so zahlreiche Suchmöglichkeiten aufgezeigt, dass es einer gezielten Suche bedarf, um überhaupt zu dem streitgegenständlichen Beitrag vorzudringen. Das Gleiche gilt für das Auffinden des streitgegenständlichen E. des Antragsgegners.
Die gezielte Suche in Archivbeständen nach Auffälligkeiten in seiner Vergangenheit durch interessierte Personen, denen der Name des Antragstellers etwas sagt, wird der Antragsteller, der als Bauminister in C. zeitweilig eine prominente Person war, nicht verhindern und mit rechtlichen Mitteln auch nicht unterbinden können, weil dies durch das Recht zur ungehinderten Information aus allgemein zugänglichen Quellen, Art. 5 Abs. 1 S. 1, 3.Var. GG, gewährleistet ist. Dass dabei das Internet die Suche einfacher und bequemer gestaltet, ist angesichts der damit verbundenen allgemeinen Veränderung der Kommunikationswege hinzunehmen.
Aus den vorstehenden Gründen ist auch für den mit der beabsichtigten Klage geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kein Raum.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt mit Rücksicht auf § 127 Abs. 4 ZPO.