Haftung eines Ärzte-Online-Bewertungsportals für falsche Einträge
Leitsatz
1. Ein Online-Bewertungsportal für Ärzte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Daten seiner User an privatrechtlich handelnde Dritte herauszugeben.
2. Kommt jedoch ein Bewertungsportal seiner sekundären Beweislast nicht in ausreichendem Maße nach, haftet es ausnahmsweise als Mitstörer auf Unterlassung.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, die nachfolgend eingeblendete Bewertung zu verbreiten
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 887,03 EUR zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
4. Das Urteil ist bezüglich des Ausspruchs zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR und wegen des Ausspruchs zu Ziffer 2. sowie wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verbreitung einer Arztbewertung im Internet.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine in (...) niedergelassene Hautärztin.
Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in München. Sie betreibt unter der Adresse www.(...).de ein Internetportal, auf dem sie Verbrauchermeinungen zu Ärzten veröffentlicht. Nach ihrer eigenen Darstellung handelt es sich dabei mit mehr als 3,5 Millionen Patienten monatlich um das größte deutsche Arztempfehlungsportal. Die Nutzer der Internetseite können sich dabei zu dem Arztbesuch äußern sowie anhand bestimmter Kriterien Schulnoten vergeben.
Unter dem Datum vom 18.12.2013 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Internetseite die von einem nicht näher bezeichneten Nutzer eingegebene streitgegenständliche Bewertung der Klägerin. Diese trägt den Titel
„Hautkrebsvorsorge Termin. 10 Min. flüchtige…“
und lautet wie folgt:
„… Ansehung des Körpers.
48 € kassiert und Tschüss.
Wie später erfahren. Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor.
Wurde nicht empfohlen.“
Notenbewertung dieses Patienten
Behandlung 6,0
Aufklärung 6,0
Vertrauensverhältnis 6,0
Genommene Zeit 6,0
Freundlichkeit 4,0“
Als „Gesamtnote“ ist der Wert 5,6 angegeben. Für weitere Einzelheiten dieser Bewertung wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift (Bl. 14 d.A.) bzw. die Wiedergabe im Urteilsausspruch oder im Klageantrag Bezug genommen.
Am 23.12.2013 wandte sich die Klägerin persönlich gemäß Anlage B 1 (Bl. 52 d.A.) mit der Bitte an die Beklagte, die aus ihrer Sicht unrichtige Bewertung zu entfernen. Dabei äußerte sie zudem den Verdacht, dass die Bewertung von einem ihrer Konkurrenten eingestellt worden sei.
Mit E-Mail vom 03.01.2014 erklärte die Beklagte, dass der Autor der streitgegenständlichen Bewertung die Behandlung bestätigt habe. Insoweit nahm die Beklagte Bezug auf ein – teilweise geschwärztes bzw. geweißtes – Schreiben vom 24.12.2013 gemäß Anlage B 2 (Bl. 53 d.A.), welches angeblich von dem Autor der Bewertung stamme.
In dieser Anlage, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 53 d.A. Bezug genommen wird, ist u.a. festgehalten:
„Genauso wie beschrieben. war der Ablauf…., dass dies einer Behandlung bedarf. Habe mir bei einem anderen Hautarzt im neuen Jahr ein Termin geholt.“.
Die Beklagte erklärte ferner, keine Zweifel an der Authentizität der Bewertung zu haben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2014 gemäß Anlage K 5 (Bl. 15 - 18 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte erneut zur Löschung der streitgegenständlichen Bewertung auf. Daraufhin erklärte die Beklagte mit E-Mail vom 14.02.2014 gemäß Anlage K 6 (Bl. 19 d.A.), dass sie von dem Autor der streitgegenständlichen Bewertung einen Beleg erhalten hätte, davon ausginge, dass es sich um einen authentischen Nutzer handele und sie die Bewertung im Portal wieder eingestellt habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.03.2014 gemäß Anlage K 7 (Bl. 21 f. d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte wiederum zur Löschung der Bewertung auf und setzte dazu eine Frist bis zum 24.03.2014, die ohne Reaktion der Beklagten verstrich. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.04.2014 gemäß Anlage K 8 (Bl. 23 – 26 d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsklärung auf. Die Beklagte wies diese Abmahnung mit E-Mail vom 05.05.2014 gemäß Anlage K 9 (Bl. 27 d.A.)zurück.
Der – nicht vorsteuerabzugsberechtigten - Klägerin entstanden durch die Abmahnung Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 EUR.
Die Klägerin behauptet, dass die Bewertung unwahr bzw. erfunden sei. Sie habe keine Behandlung vorgenommen, die sich mit der Bewertung decke. Insbesondere sei ihr kein Fall bekannt, in dem sie eine Hautkrebserkrankung auf der Stirn eines Patienten/einer Patientin übersehen hätte. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagte den Autor der streitgegenständlichen Bewertung zu einer Stellungnahme aufgefordert und dass dieser sich wie in Anlage B 2 wiedergegeben erklärt habe. Sie bestreitet ferner mit Nichtwissen, dass die Beklagte am 05.02.2014 ein erneutes Prüfverfahren eingeleitet und dazu den Autor wie in Anlage B 3 wiedergegeben kontaktiert sowie dass dieser die in Anlage B 4 vorgelegte Rechnung an die Beklagte versandt habe.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der streitgegenständlichen Bewertung gegen die Beklagte aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB zustehe. Die Verbreitung der Bewertung über das Internetportal der Beklagten stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Die der Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen seien falsch.
Die Beklagte verfolge mit der Verbreitung der unwahren Äußerung keine schützenswerten Interessen. Es sei zu befürchten, dass Leser der Bewertung aus dieser schlössen, der Autor der Bewertung habe an Hautkrebs gelitten, was ihm nicht durch die Klägerin, sondern erst später durch Dritte mitgeteilt worden sei. Eine Verbreitung der Bewertung könne daher zur Folge haben, dass sich ein wesentlicher Teil der Patienten der Klägerin dafür entscheiden werde, zukünftig einen anderen Arzt zu konsultieren. Der Klägerin stehe zudem ein Anspruch auf Erstattung ihrer im Zusammenhang mit der vorgerichtlichen Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten zu.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, die nachfolgend eingeblendete Bewertung zu verbreitenBILD
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 887,03 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, auf die Problemmeldung der Klägerin vom 23.12.2013 den Autor der streitgegenständlichen Bewertung kontaktiert zu haben. Dieser habe am 24.12.2013 geantwortet und in Bezug auf die Bewertung erklärt, dass er bei der durch die Klägerin vorgenommenen Vorsorgeuntersuchung auf eine allgemein empfohlene Behandlung einer Hautveränderung (kein Hautkrebs!) nicht hingewiesen worden sei.
Er habe dann bei einem anderen Hautarzt einen Termin vereinbart. Zudem habe die Beklagte am 05.02.2014, nach Eingang des anwaltlichen Schreibens vom 04.02.2014, ein erneutes Prüfverfahren eingeleitet und den Autor der streitgegenständlichen Bewertung erneut kontaktiert und die Vorlage eines Belegs eingefordert. Daraufhin habe dieser die Rechnung gemäß Anlage B 4 (Bl. 54 d.A.) übersandt, aus der hervorgehe, dass bei der Klägerin eine Hautkrebsvorsorgeuntersuchung stattgefunden habe.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin kein Unterlassungsanspruch gegen sie zustehe. Bei der streitgegenständlichen Bewertung handele es sich nicht um eine Tatsachenäußerung, sondern um eine Meinungsäußerung. Hierbei sei es unerheblich, dass der Autor der Bewertung im Text schlagwortartig auch einzelne Fakten nenne.
Auch wenn der Autor den Behandlungsverlauf schildere, so handele es sich dabei nicht um eine vollständige Wiedergabe der Behandlung, sondern um eine subjektive Schilderung der aus Patientensicht maßgeblichen Behandlungsschritte. Im Übrigen könne die streitgegenständliche Bewertung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung eine Krebserkrankung oder eine Hautveränderung übersehen habe, sondern lediglich, dass wegen der aus Sicht des Autors oberflächlichen Untersuchung ein anderweitiger Behandlungsbedarf nicht empfohlen worden sei. Anhaltspunkte für eine Schmähkritik lägen nicht vor. Eine Schmähkritik sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Klägerin im Rahmen der Bewertung in mehreren Kategorien die Schulnote 6,0 vergeben worden sei. Vor diesem Hintergrund stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verbreitung der streitgegenständlichen Bewertung wegen der dort enthaltenen Äußerung „Wie später erfahren. Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor. Wurde nicht empfohlen.“ aus den §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu.
Die Beklagte hat durch die Veröffentlichung der beanstandeten Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitet. Es schützt die Persönlichkeit in all ihren Ausprägungen und damit auch in ihrer Darstellung nach außen und in ihrer sozialen Geltung (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1322, 1323).
Die Beklagte trifft hinsichtlich der von der Klägerin beanstandeten Bewertung zwar nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil sie diese weder verfasst noch den Inhalt zu Eigen gemacht hat. Sie kann als sog. Hostproviderin lediglich als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie die technischen Möglichkeiten der Plattform zur Verfügung gestellt hat. Die Störereigenschaft scheitert nicht an § 10 TMG, weil die dort geregelte Haftungsbeschränkung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht für Unterlassungsansprüche gilt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26.06.2013, 4 U 28/13 = BeckRS 2014, 10797 Tz. 37).
Als Störerin ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (vgl. BGH, NJW 2012, 148 – Blog-Eintrag).
Indem die Beklagte das Internetportal www.(...).de betreibt, dabei den Speicherplatz für Bewertende bereitstellt und den Abruf der Webseite über das Internet ermöglicht, trägt sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung der Äußerungen bei, die gegebenenfalls das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen.
Eine Haftung der Beklagten als Hostprovider für den von dem Nutzer des Bewertungsportals ihres Internetdienstes eingestellten Beitrags ist zu bejahen.
Nach den in der Entscheidung „Blog-Eintrag“ des BGH vom 25.10.2011 (NJW 2012, 148) aufgezeigten Grundsätzen, die sich in ständiger Rechtsprechung verfestigt und weiterentwickelt haben (vgl. BGH, GRUR 2013, 751 – Autocomplete-Funktion) ist ein Hostprovider nicht verpflichtet, die von Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, kann dieser als Störer verpflichtet sein, zukünftige derartige Verletzungen zu unterbinden (vgl. BGH, GRUR 2004, 860 - Internet-Versteigerung I; BGH, GRUR 2007, 708 - Internetversteigerung II; BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei ebay).
Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für die Bewertung Verantwortlichen zur Stellungnahme zuzuleiten. Dies ist hier – nach dem Vortrag der Beklagten – geschehen. Stellt der Bewertende die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, so ist die Beklagte als Plattformbetreiberin grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt (BGH, NJW 2012, 148 Rn. 27 – Blog-Eintrag).
Die Klägerin trifft als derjenigen, die die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen eben dieser Haftung. Das umfasst die Darlegung der Umstände, aus denen sich eine Verletzung der die Beklagte im Zusammenhang mit der Prüfung der Berechtigung der Beanstandung treffenden reaktiven Prüfungspflicht trifft.
Da die auf eine behauptete Rechtsverletzung hin initiierte Prüfung des Hostproviders in aller Regel interne Betriebsabläufe, vor allem den Kontakt mit dem vorliegend auch nur ihm bekannten Verfasser der Bewertung betrifft, die der Einsichtnahme durch die Klägerin entzogen sind, trifft den Provider hinsichtlich der ihm zur Prüfung der Beanstandung vorgenommenen Handlungen eine Darlegungsverpflichtung. Er muss aufzeigen, dass und ggf. wie er mit dem Bewertenden in Kontakt getreten ist und welche Stellungnahme dieser ggf. zur Verteidigung der angegriffenen Bewertung/Äußerung in der Sache vorgebracht hat.
Denn nur dann ist es der betroffenen Anspruchstellerin möglich, substantiell die Berechtigung der Beanstandung „nachzuweisen“ (vgl. OLG Köln, 16 U 141/14, Urteil vom 16.12.2014, Seite 6 gemäß Anlage B 6, Bl. 80 d.A.). Die Beklagte muss im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast Belegtatsachen für ihre Behauptungen angeben, andernfalls wäre gemäß § 138 Abs. 3 ZPO von der Unwahrheit auszugehen (vgl. BGH, NJW 2008, 2262 Rn. 22; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., Einf. v § 823 Rn. 40).
Darüber hinaus trifft aber die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen auch eine erweiterte Darlegungslast im Hinblick auf die Wahrheit der von ihr verbreiteten Tatsachenbehauptungen. In diesem Rahmen kann von der Beklagten verlangt werden, im Hinblick auf die angegriffene Äußerung Tatsachen vorzutragen, auf die die Klägerin sich prozessual einlassen kann. Dem ist die Beklagte vorliegend nicht in hinreichendem Umfang nachgekommen.
In der hier angegriffenen Äußerung „Wie später erfahren. Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor. Wurde nicht empfohlen.“ ist eine Tatsachenbehauptung zu sehen.
Während sich Tatsachenbehauptungen auf etwas tatsächlich Geschehenes oder auf einen gegenwärtigen Zustand beziehen und deshalb grundsätzlich dem Beweis offen stehen, sind Meinungsäußerungen bzw. Werturteile durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens bzw. Meinens geprägt und deshalb dem Beweis von vornherein nicht zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BGH, NJW 1996, 1131, 1133; BGH, NJW 1998, 3047, 3048; BGH, NJW 2002, 1192, 1193). Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist vorliegend bei der zitierten Äußerung hinsichtlich des Behandlungsverlaufs von einer dem Beweis zugänglichen Tatsachenbehauptung und nicht nur von einer (zulässigen), ggf. mehrdeutigen, Meinungsäußerung, auch unter Beachtung des Gesamtkontextes der Bewertung, auszugehen.
Auch wird der verständige Leser der Bewertung aufgrund der Angabe „Hautkrebsvorsorge“ davon ausgehen, dass die Hautuntersuchung durch die Klägerin als Hautärztin dem Zweck der Krebsvorsorge diente, nämlich etwaige Hautveränderungen bzw. etwaige sog. Muttermale im Hinblick auf das Vorhandensein eines Hautkrebses oder dessen potentieller Entwicklung zu untersuchen. Auch wird der Leser daraus den Vorwurf des Bewerters gegenüber der Hautärztin entnehmen, dass die Ärztin solche Auffälligkeiten an der Stirn eines Patienten übersehen habe.
Doch auf diese Differenzierung kommt es vorliegend nicht entscheidend an. Der Vortrag der Klägerin ist erkennbar nicht darauf beschränkt, dass sie bestreitet, den Fall einer nicht erkannten Hautkrebserkrankung übersehen zu haben. Die Klägerin bestreitet vielmehr ganz allgemein, dass sich der von dem Autor der streitgegenständlichen Bewertung beschriebene Vorfall – nämlich ein von der Klägerin im Rahmen einer Hautkrebsvorsorgeuntersuchung nicht erkannter Behandlungsbedarf an der Stirn eines Patienten bzw. einer Patientin – ereignet habe.
Diese Äußerung ist nach den oben dargestellten Grundsätzen auch unwahr. Denn die Beklagte ist der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht in hinreichendem Umfang nachgekommen.
Da beklagtenseits die Identität des Bewertenden und die zum Vorwurf gemachte Behandlung durch die Übersendung der wenig aussagekräftigen Anlage B 2, die angeblich von dem Verfasser der Bewertung stammen soll, nicht offenbart wurden und auch sonst das Schreiben überwiegend geweißt und die angebliche Rechnung ebenfalls gemäß Anlage B 4 (Bl. 55 d.A.) geschwärzt wurde, ist es der Klägerin nicht möglich, die Authentizität der Bewertungen von etwaigen Patienten und den behaupteten Sachverhalt zu konkretisieren, den sie in Abrede stellt.
Die Klägerin hat dargelegt, dass sich die streitgegenständliche Bewertung mit keiner der von ihr vorgenommenen Behandlungen deckt. Ihr sei kein Fall bekannt, in dem sie eine Hautauffälligkeiten im oben ausgeführten Sinne an der Stirn eines Patienten oder einer Patientin übersehen hätte. Demgegenüber hat die Beklagte lediglich die von der Klägerin vorgenommene Interpretation der streitgegenständlichen Aussage angegriffen. Nach der Einschätzung der Beklagten müsse es sich bei der in der Bewertung geschilderten Behandlung nicht zwangsläufig um einen Fall einer nicht erkannten Krebserkrankung handeln. Es könne danach auch sein, dass die Klägerin bei dem Autor eine andere, behandlungsbedürftige Hautveränderung nicht erkannt und eine weitergehende Behandlung nicht empfohlen habe.
Auch sofern die Beklagte in ihrer Klageerwiderung auf die Schilderung des Geschehens durch den vermeintlichen Autor der Bewertung in seiner E-Mail an die Beklagte vom 24.12.2013 gemäß Anlage B 2 (Bl. 53 d.A.) verweist, genügt die Beklagte nicht der ihr obliegenden Darlegungslast.
Aus der vorgelegten E-Mail des Autors geht nicht hervor, aus welchen Gründen dieser der Auffassung ist, es habe bei ihm ein von der Klägerin nicht empfohlener Behandlungsbedarf vorgelegen. Darin schildert der Autor zunächst lediglich in pauschaler Form, dass der „Ablauf wie beschrieben“ war. Der weitere Inhalt der E-Mail ist weitestgehend unkenntlich gemacht. So findet sich gegen Ende der E-Mail lediglich noch der Halbsatz „… dass dies der Behandlung bedarf“. Es verbleibt jedoch gänzlich unklar, worauf sich der behauptete Behandlungsbedarf bezieht und woraus der Autor zu dem Schluss gekommen ist, dass ein bestimmter Behandlungsbedarf besteht. Dabei handelt es sich bei der Frage, ob ein bestimmter Befund tatsächlich nach den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Medizin einer ärztlichen Behandlung bedarf, um einen Umstand, der nach allgemeiner Lebenserfahrung allein von einem Arzt festgestellt werden kann. Dass der Autor der streitgegenständlichen Bewertung einen anderen Arzt konsultiert hat, geht aber aus der vorgelegten E-Mail nicht hervor. Umgekehrt wird in dem letzten Satz der E-Mail sogar ausgeführt, dass der Autor eine weitere ärztliche Konsultation erst in Zukunft wahrnehmen möchte.
Über diese E-Mail hinaus hat die Beklagte keinen tauglichen Vortrag zum Beleg der Wahrheit der angegriffenen Aussage dargelegt. Neben der vorgelegten, weitestgehend unkenntlich gemachten E-Mail hat sie lediglich Frau B(...), eine Mitarbeiterin aus dem Qualitätsmanagement der Beklagten, als Zeugin benannt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie diese zur Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit der streitgegenständlichen Aussage beitragen können soll. Die in der Bewertung geschilderten Vorgänge sind nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass Frau B als Mitarbeiterin aus dem Qualitätsmanagement allenfalls zu der Kommunikation, die zwischen der Beklagten und dem Autor der Bewertung stattgefunden hat, aussagen könnte. Die hier zu beantwortende Frage, ob in dem streitgegenständlichen Fall tatsächlich ein von der Klägerin nicht erkannter, medizinisch relevanter Befund bestand und die Klägerin eine medizinisch indizierte Behandlung nicht empfohlen hat, wird sie dagegen nicht aufklären können.
Die Kammer teilt zumindest vorliegend aufgrund der beklagtenseits vorgelegten Unterlagen auch nicht die Einschätzung der Beklagten, dass von dieser nicht mehr an Vortrag verlangt werden könnte als die Vorlage von geschwärzten Nachweisen, da sie andernfalls unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen den Autor der Bewertungen direkt oder indirekt offenbaren müßte.
Die Beklagte ist damit ihrer Darlegungslast, zumindest ihrer sekundären, nicht ausreichend nachgekommen, so dass die Kammer davon ausgeht, dass es sich im Rahmen der streitgegenständlichen Bewertung „Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor. Wurde nicht empfohlen.“ um eine unwahre Tatsachenbehauptung und nicht nur um eine gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung handelt. Eine unwahre Tatsachenbehauptung fällt nicht unter den grundrechtlichen Schutz. Ihre bewusste Äußerung bzw. Verbreitung stellt einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten dar (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1322, 1324; BVerfG, NJW 2000, 199, 200; BVerfG, NJW 2004, 354, 355; BGH, GRUR 2013, 751 Rn. 22 – „Autocomplete“-Funktion; BGH, GRUR 2012, 850 Rn. 37 – www.rainbow.at II).
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte grundsätzlich nicht zur Auskunft über ihre Nutzer verpflichtet bzw. berechtigt ist. Der BGH hat zwar in seiner Entscheidung vom 01.07.2014, VI ZR 345/13, NJW 2014, 2651 – Ärztebewertungsportal, den Betreiber eines Internetportals mit Blick auf das in § 12 TMG formulierte Verbot, personenbezogene Daten der Nutzer eines Internetdienstes außerhalb bestimmter Erlaubnistatbestände zu verwenden, nicht als befugt erachtet, personenbezogene Daten des Nutzers zur Erfüllung eines wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend gemachten Auskunftsanspruchs an den Betroffenen zu übermitteln. Damit wäre der Provider nicht verpflichtet, Namen und Anschrift des Verfassers eines Blog-Eintrags dem Betroffenen zu übermitteln. Dieses Auskunftsbegehren ist aber vorliegend nicht Streitgegenstand.
Denn der Betroffene kann von einem Provider jedenfalls die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen verlangen. Die Möglichkeit eines Betroffenen, sich insbesondere gegen unwahre Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines Ärztebewertungsportals dadurch wehren zu können, dass er sich unter Bezugnahme auf den jeweiligen Eintrag an die Beklagte wendet und dort dessen Beseitigung verlangt, wird ausdrücklich vom BGH in der Entscheidung vom 23.09.2014, GRUR 2014, 1228 Rn. 36 - Ärztebewertungsportal, bejaht.
Auch bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den kollidierenden Interessenlagen erscheint es angesichts des Vorliegens einer unwahren Tatsachenbehauptung eher der Beklagten zuzumuten, die kritisierende Bewertung zu löschen als von der Klägerin, diese hinzunehmen. Durch die Aufnahme in das von der Beklagten betriebene Ärztebewertungsportal wird die Klägerin aufgrund der beschriebenen Fehlbehandlung beruflich erheblich belastet. Die schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung wiegt insoweit gegenüber einer Beeinträchtigung der Kommunikationsfreiheit höher, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin (nur) in ihrer beruflichen Sozialsphäre betroffen ist, zumal hier eine unwahre Tatsachenbehauptung betroffen ist und nicht nur eine Meinungsäußerung.
Die Klägerin kann auch die Löschung der angegriffenen Bewertung insgesamt verlangen und nicht nur diejenige oben erörterten unwahren Tatsachenbehauptung: „Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor. Wurde nicht empfohlen“.
Bereits diese eine unwahre Tatsachenbehauptung in der Bewertung, die von der Beklagten verbreitet wird, rechtfertigt das hier titulierte vollständige Verbot einer Veröffentlichung des gesamten Textes in seiner konkret angegriffenen Form auf der Internetplattform der Beklagten, ohne dass es auf eine Prüfung etwaiger weiterer Äußerungen oder Bewertungen, wozu auch die Benotungen gehören, die sich sämtlichst als zulässige Meinungsäußerungen darstellen dürften, ankäme. Die insoweit vom BGH (WRP 2001, 400, 403 – TCM-Zentrum) im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze sind auch vorliegend anwendbar. Das hier auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichtete Klagebegehren war damit schon deshalb in vollem Umfang begründet, da darin jedenfalls die oben bezeichnete falsche Tatsachenbehauptung enthalten ist. Ob darüber hinaus weitere persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptungen oder sonst unzulässige Äußerungen enthalten sind, kann damit dahinstehen.
Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.
Der von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist begründet. Sie hat mit der vorprozessualen Abmahnung ein Geschäft der Beklagten geführt (vgl. zu Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA): BGH GRUR 1992, 176, 177 – „Abmahnkostenverjährung“; BGH GRUR 1994, 311, 312 – „Finanzkaufpreis ohne Mehrkosten“; BGH GRUR 2001, 450, 453 – „Franzbranntwein-Gel“). Denn die bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, ähnlich den Wettbewerbsrechten vermutete Wiederholungsgefahr kann in der Regel nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Der Wille der Klägerin zur Fremdgeschäftsführung wird vermutet (vgl. BGHZ 98, 235; BGH NJW 2000, 72). Zu den gemäß §§ 683 S. 1, 670 BGB zu ersetzenden erforderlichen Aufwendungen zählen die Kosten der anwaltlichen Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Im Hinblick auf die Privilegierung des § 10 TMG, auf die sich die Beklagte vorliegend berufen kann, gilt, dass Abmahnkosten erst verlangt werden können, wenn der Anspruchsgegner als Störer haftet. Dementsprechend ist auch der Ersatz von Abmahnkosten erst möglich, wenn der Provider Kenntnis von einer konkreten Rechtsverletzung erlangt hat (BGH GRUR 2011, 1038 Rn. 21 f. – Stiftparfüm; BGH, GRUR 2013, 751 – Autocomplete-Funktion). So lag der Fall hier. Die Klägerin hat die Beklagte unter dem 23.12.2013 auf die streitgegenständliche Bewertung hingewiesen. Erst nachdem die Beklagte sich weigerte, die Bewertung zu entfernen, ließ die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2014 abmahnen.
Der nunmehr von der Klägerin ihrer Forderung auf Abmahnkostenerstattung im vorliegenden Rechtsstreit zugrunde gelegte Gegenstandswert von 10.000 EUR erscheint gemäß § 3 ZPO als angemessen. Der Ansatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr für die Abmahnung ist gerechtfertigt. Ansatzpunkte, hier eine geringere Gebühr anzusetzen, sind nicht ersichtlich.
Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 10.000 EUR berechnet sich der klägerische Erstattungsanspruch wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV,§§ 13, 14 RVG 725,40 EUREntgelt für Post- und Telekommunikations-Dienstleistungen gem. Nr. 7002 VV (pauschal)20,00 EUR19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV 141,63 EUREndsumme887,03 EUR.Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.