Auskunftei muss Restschuldbefreiung erst nach 3 Jahren löschen
Leitsatz
1. Eine Auskunftei muss den Umstand der Restschuldbefreiung grundsätzlich erst nach 3 Jahren löschen. Es ist nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben hätte. Vielmehr besteht ein berechtigtes Interesse für potentielle Geschäftspartner des Schuldners im Rahmen der Bonitätsprüfung zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden.
2. Eine vorzeitige Löschungsverpflichtung kann jedoch dann bestehen, wenn auf besondere Gründe gegen die Verarbeitung der Daten sprechen und die Auskunftei keine schutzwürdigen Gründe nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Betroffenen überwiegen. Es muss sich um Gründe handeln, die eine atypische Konstellation begründen, welche den Interessen des Betroffenen auf Löschung ein besonderes Gewicht verleiht (hier: psychiatrischen Erkrankung).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, folgende bezüglich des Klägers in ihrem elektronischen Datenbestand gespeicherte Information zu löschen:
"Restschuldbefreiung erteilt Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: Der Vorgang wird unter dieser Nummer in den öffentlichen Verzeichnissen der Insolvenzgerichte geführt. Datum des Ereignisses: 05.01.2018."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/5 die Beklagte zu 2/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger bezüglich des Löschungsausspruchs jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,-- € und für beide Parteien bezüglich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Löschung einer Eintragung über eine Restschuldbefreiung, die Wiederherstellung eines Scorewerts, insofern er sich aus dieser Eintragung ergeben hat, sowie über einen Schmerzensgeldanspruch.
Die Beklagte ist eine Wirtschaftsauskunftei. Sie erteilt gegenüber Unternehmen unter anderen Auskünfte über die Bonität von Verbrauchern in Gestalt eines von Ihr ermittelten Scoringwerts. Sie gibt außerdem Auskünfte über laufende oder vergangene Insolvenzverfahren von Verbrauchern, auch über innerhalb der zurückliegenden Jahre erfolgten Restschuldbefreiungen nach § 300 InsO. Verbraucher können bei ihr unter anderem eine Bonitätsauskunft beantragen, um diese beispielsweise an einen Vermieter weiterzugeben. Eine solche Selbstauskunft für Kredit- und Wohnungsmietverträge enthält auch Informationen zu Privatinsolvenzen und Restschuldbefreiungen.
Über das Vermögen des Klägers wurde am 22.11.2011 ein Insolvenzverfahren (Verbraucherinsolvenz) eröffnet. Dieses wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 5.1.2018 durch Erteilung einer Restschuldbefreiung nach § 300 InsO beendet. Dieser Umstand wurde auf dem Internetportal Insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht.
Unter dem 2.3.2018 ist dem Kläger bezüglich seiner Person eine Bonitätsauskunft unter seiner Anschrift in Frankfurt übermittelt worden, die unter der Überschrift Informationen aus öffentlichen Verzeichnissen folgenden Eintrag enthielt:
"2. Restschuldbefreiung erteilt
Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: (...)
Der Vorgang wird unter dieser Nummer in den öffentlichen Verzeichnissen der Insolvenzgerichte geführt.
Datum des Ereignisses: 05.01.2018."
Der Kläger verfügt über mehrere ärztliche Atteste, aus denen hervorgeht, dass er sich in den Jahren 2010 und 2011 wegen einer psychiatrischen Erkrankung mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden hat. Laut Attesten aus dem Jahr 2017 befand er sich zu diesem Zeitpunkt weiterhin in therapeutischer Behandlung.
Der Kläger hat jeweils unbefristete Arbeitsverträge zwischen ihm und Sicherheitsdienstleistern vom 28.9.2017 und 31.7.2018 vorgelegt. Er plant, sich als Sicherheitsdienstleister selbständig zu machen und eine GmbH zu gründen. Ein Gesellschaftsvertrag wurde am 9.11.2018 notariell beurkundet.
Der Kläger hat in seiner Klageschrift zunächst einen Anspruch auf Löschung der Information über die Restschuldbefreiung sowie eine damit korrespondierende Korrektur des Score-Wertes geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 15.10.2018 hat er dann außerdem die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens € 10.000,- geltend gemacht. Dieser Schriftsatz wurde der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 1.11.2018 ausgehändigt.
Mit Schriftsatz vom 27.8.2018 hat der Kläger Widerspruch gegen die Datenverarbeitung eingelegt.
Der Kläger behauptet, auf Grund des Eintrags der Restschuldbefreiung im Verzeichnis der Beklagten finde er in Frankfurt keine größere Wohnung, die er benötige, um dort zukünftig mit seiner Ehefrau leben und mit ihr eine Familie gründen zu können. Außerdem könne er keine Ratenzahlungsgeschäfte und keine Handyverträge abschließen. Er könne auch kein Online-Konto eröffnen. Auch bei der geplanten Selbständigkeit drohe der Eintrag potentielle Vertragspartner abzuschrecken.
Der Kläger behauptet, er sei sich bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht im Klaren gewesen, welche nachteiligen Folgen dies für ihn gehabt habe. Die Schuldnerberatung der , die ihm damals zu diesem Schritt geraten habe, habe ihn hierüber nicht informiert. Die Forderungen seien auch überschaubar gewesen, er hätte sie auch tilgen können. Er sei zum Zeitpunkt der Einleitung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer psychischen Erkrankung geschäftsunfähig oder jedenfalls nur eingeschränkt geschäftsfähig gewesen. Eine Besserung seines Gesundheitszustandes sei erst seit dem Februar 2017 eingetreten, weswegen er auch erst dann angefangen habe, seine persönlichen Verhältnisse zu ordnen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem elektronischen Datenbestand (Computer) gespeicherte Information: "Information aus öffentlichen Verzeichnissen Restschuldbefreiung erteilt Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: Der Vorgang wird unter dieser Nummer in den öffentlichen Verzeichnissen der Insolvenzgerichte geführt. Datum des Ereignisses 5.1.2018" zu löschen.
2. die Beklagte zu verurteilen, den Scorewert des Klägers in der Weise wiederherzustellen, als habe es die Speicherung der genannten Information nicht gegeben.
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 10.000,- zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei für seine vermeintliche Stigmatisierung, seine finanziell missliche Lage und die behaupteten Probleme am Wirtschaftsleben zu partizipieren selbst schuld.
Die Beklagte hat hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schriftsatzes vom 15.10.2018 eingewendet, das Vorbringen des Klägers sei im Hinblick auf die Schmerzensgeldforderung präkludiert.
Die von der Beklagten zunächst erhobene Rüge der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit wurde von dieser in der mündlichen Verhandlung am 1.11.2018 zurückgenommen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien ihr Einverständnis mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren erklärt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Das Landgericht Frankfurt ist sachlich und örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO, die sachliche aus § 71 GVG. Nach Rücknahme der Zuständigkeitsrüge durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ergibt sich zudem die Zuständigkeit aus § 39 ZPO.
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Löschung der Eintragung über seine Restschuldbefreiung zu. Dieser ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. c Var. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 der Verordnung EU 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (Im Folgenden: DS-GVO).
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27.8.2018 Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner Daten eingelegt.
Der Verband der Wirtschaftsauskunfteien e.V., dem die Beklagte angehört, löscht Angaben ausweislich ihrer "Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018" - auch "Codes of Conduct (CoC)" - nach Abschnitt II Nr. 2 Buchstabe b taggenau drei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung.
Die Verhaltensregeln der Wirtschaftsauskunfteien erfüllen die Voraussetzungen des Art. 40 Abs. 2 DS-GVO. Sie wurden gemäß Art. 40 Abs. 5, 55 Abs. 1 GS-GVO i.V.m. § 40 BDSG von der zuständigen Datenschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. Der eingetragene Verein Verband der Wirtschaftsauskunfteien hat seinen Sitz in Neuss (Nordrhein-Westfalen).
In der öffentlichen Datenbank Insolvenzbekanntmachungen.de ist die Auskunft über eine Restschuldbefreiung hingegen nur 2 Wochen derart zugänglich, dass sie ohne Kenntnis des Sitzes des Insolvenzgerichts nur anhand einer Angabe, wie etwa des Namens des Schuldners, aufgerufen werden kann. Sie ist im darauffolgenden Zeitraum denjenigen Benutzern zugänglich, die sie unter zusätzlicher Eingabe des Sitzes des Insolvenzgerichts suchen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet - InsoBekV). Die Löschung aus dem Verzeichnis erfolgt im Fall einer Restschuldbefreiung spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung (§ 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsoBekV).
Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung richtet sich nach Art. 6 der DS-GVO.
Für die Beklagte kommt hier der Rechtmäßigkeitsgrund des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f in Betracht. Eine Rechtmäßigkeit nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e scheidet aus (vgl. Kühling/Buchner/Petri, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., 2018: Art. 6 DS-GVO, Rn. 132). Wirtschaftsauskunfteien können durch Verhinderung der Kreditvergabe an zahlungsunfähige oder -unwillige Personen einerseits sowie durch Beschleunigung erfolgreicher Kreditvergabe andererseits zwar zu einem stabilen Finanzmarktsystem beitragen. Dies mag auch grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen, es kann jedoch keine Rede davon sein, dass diese Aufgabe den Informationsdiensten "übertragen" wurde (vgl. Kühling/Buchner/Petri, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., 2018: Art. 6 DS-GVO, Rn. 132).
Auf Verhältnisse zwischen Privaten findet ausschließlich die Bestimmung des Buchst. f Anwendung (Kühling/Buchner/Petri, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., 2018: Art. 6 DS-GVO, Rn. 132; Paal/Pauly/Frenzel, 2. Aufl. 2018, DS-GVO: Art. 6, Rn. 26). Eine Verarbeitung durch die Beklagte kann daher gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nur unter der Voraussetzung rechtmäßig sein, dass sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Hierbei findet also bereits auf der Ebene der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine Interessenabwägung statt.
Im Hinblick auf die Speicherung einer Restschuldbefreiung, die aus den öffentlichen Verzeichnissen nach einem halben Jahr gelöscht wird, hat die Beklagte in ihren Verhaltensregeln geregelt, dass diese taggenau drei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung gelöscht werden müssen.
Solange die Auskunft über eine Restschuldbefreiung noch im öffentlichen Verzeichnis aufgefunden werden kann, kann die betroffene Person keine überwiegenden Rechte oder Interessen an ihrer fortgesetzten Speicherung durch eine Wirtschaftsauskunftei geltend machen. Zwar ist das Verzeichnis nicht beliebig durchsuchbar, sondern in zwei zeitlichen Abstufungen nur nach den oben dargestellten Voraussetzungen. Dies ändert jedoch nichts an dessen Öffentlichkeit, der Zugang wird dadurch nur erschwert, aber nicht von vornherein auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2015 - 1 U 128/15 -, Rn. 12).
Solche - nur mit einem gewissen Aufwand zu erlangenden - Informationen ihren Kunden zugänglich zu machen, stellt gerade die Leistung dar, die eine Wirtschaftsauskunftei gegenüber ihren Vertragspartnern erbringt. Die Auskunftei als Verantwortliche der Verarbeitung wahrt damit Interessen von Dritten, die darin bestehen, die Zuverlässigkeit und voraussichtliche Bonität von Vertragspartnern, denen sie Kredite gewähren oder denen gegenüber sie sonst in Vorleistung treten, in einem vereinfachten Verfahren prüfen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 22.2.2011 - VI ZR 120/10 -, Rn. 21). Die Beklagte durfte die Information über die Restschuldbefreiung also bis zum 5.7.2018 speichern und auch übermitteln.
Fraglich ist, ob die Abwägung für die übrigen zweieinhalb Jahre der Speicherfrist grundsätzlich anders ausfallen müsste. Die Verhaltensregeln, die für den konkreten Fall der Restschuldbefreiung eine dreijährige Speicherfrist vorsehen, wurden von der zuständigen Landesdatenschutzbeauftragen für geeignet befunden, zur ordnungsgemäßen Anwendung der DS-GVO beizutragen (s. Aktenblatt 52).
Es ist nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben hätte. Der Kläger kann nicht verlangen, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war. Für potentielle Geschäftspartner des Schuldners ist es im Rahmen der Bonitätsprüfung wichtig zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr kann die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein (OLG Frankfurt, 14.12.2015 - 1 U 128/15 -, Rn. 16). Die Information über die Restschuldbefreiung über drei Jahre zu speichern ist nicht unverhältnismäßig und erfüllt in dieser Zeit weiterhin eine zulässige Warnfunktion. Dies gilt insbesondere, da hiermit nur eine grundsätzliche Entscheidung getroffen ist, die im Einzelfall überprüft werden muss. Denn Gründe, die sich aus der besonderen Situation einer betroffenen Person ergeben, können von dieser nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO jederzeit im Wege eines Widerspruchs geltend gemacht werden. Die Notwendigkeit der Verarbeitung ist aus denselben Gründen auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO entfallen.
Einen solchen Widerspruch hat der Kläger hier auch im Schriftsatz vom 27.8.2018 erhoben.
Dieser Widerspruch führt hier dazu, dass er einen Anspruch auf Löschung (Recht auf Vergessenwerden) des streitgegenständlichen Eintrags aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO hat.
Dem Kläger steht ein Widerspruchsrecht dann zu, wenn er Gründe darlegt, die auf Grund seiner besonderen Situation gegen die Verarbeitung der Daten sprechen, und die Beklagte keine schutzwürdigen Gründe nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers überwiegen. Hierbei muss es sich um Gründe handeln, die eine atypische Konstellation begründen, welche den Interessen des Klägers ein besonderes Gewicht verleiht (vgl. Kühling/Herbst, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., 2018: Art. 21, Rn. 15).
Dies hat der Kläger vorliegend getan. Er hat dargelegt, dass er seit dem Jahr 2010 an einer psychiatrischen Erkrankung leidet, wegen der er in den Jahren 2010 und 2011 mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung war, und erst seit dem Jahr 2017 wieder in der Lage war, seine Verhältnisse zu ordnen. Der Kläger ging erst in den drei Monaten vor Erteilung der Restschuldbefreiung wieder einer Arbeit nach. Er ist auch weiterhin erwerbstätig und befindet sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.
Er plant, sich in seinem Arbeitsbereich zukünftig selbstständig zu machen und hat aus diesem Grunde eine GmbH gegründet. Außerdem hat er ausgeführt, mit seiner Frau zusammenziehen und eine Familie gründen zu wollen. Derzeit wohnt er bei seiner Schwester und hat keine eigene Wohnung. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass Information über die Restschuldbefreiung, die die Beklagte im Wege einer Bonitätsauskunft über ihn erteilt, ihm sowohl bei seiner beruflichen Weiterentwicklung als auch bei der Wohnungssuche in Frankfurt hinderlich sein kann. Auskünfte der Beklagten werden u.a. auch im Wege der Selbstauskunft erteilt werden, um gegenüber potentiellen Wohnungsvermietern, die eigene Zuverlässigkeit und Bonität zu belegen. Die Beklagte bewirbt auf ihrer Internetseite die Bonitätsauskunft, die Betroffene über sich selbst kostenpflichtig einholen können, explizit als eine solche, die "z.B. an den Vermieter" weitergegeben werden kann. Die Beeinträchtigung bei der Wohnungssuche wiegt, anders als die Beeinträchtigung seiner geplanten Selbständigkeit, auf die der Kläger angesichts seines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zwingend angewiesen ist, schwer. Denn hierdurch wird es dem Kläger erschwert, seine private Lebensgestaltung in einem Kernaspekt nach einer langen Krankheitsphase so zu gestalten, wie er sich dies wünscht. Demgegenüber hat die Beklagte keine überwiegenden schutzwürdigen Gründe nachgewiesen.
Hieraus folgt ein Anspruch auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO, da vorrangige berechtigte Gründe für die weitere Speicherung nicht ersichtlich sind.
II.
Ein Anspruch auf eine Wiederherstellung des Scorewertes - als ob die Speicherung nicht stattgefunden hätte - kommt hingegen nicht in Betracht. Denn die Speicherung war zunächst rechtmäßig. Der Löschungsanspruch ergibt sich erst auf Grund der atypischen Umstände im Fall des Klägers, die eine Abwägung zu dessen Gunsten und ein Widerspruchsrecht begründen. Das Widerspruchsrecht des Klägers nach Art. 21 Abs. 1 DS-VGO setzt aber voraus, dass er diese Umstände darlegt (Paal/Pauly/Martini, 2. Aufl. 2018, DS-GVO: Art. 21, Rn. 19).
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dazu die ärztlichen Atteste über dessen psychiatrische Erkrankung in der mündlichen Verhandlung vorgelegt, Atteste über den zuletzt günstigen Verlauf der Erkrankung sowie die Arbeitsverträge des Klägers sogar erst - innerhalb der Schriftsatzfrist des angeordneten schriftlichen Verfahrens - mit Schriftsatz vom 19.11.2018.
III.
Im Hinblick auf die Forderung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus §§ 253 Abs. 1 BGB, 83 Abs. 2 BDSG i.V.m. Art. 82 DSGVO ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet.
Die Erhebung des Schmerzensgeldanspruchs im Schriftsatz vom 15.10.2018, der dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt wurde, ist weder nach §§ 296 Abs. 2, 281 Abs. 2 ZPO präkludiert noch handelt es sich hierbei um eine Klageänderung nach § 263 ZPO, die der Zustimmung der Beklagten bedürfte.
Die Tatbestände des § 264 ZPO setzen voraus, dass der Klagegrund, also der zur Begründung des Klageantrags vorgetragene Lebenssachverhalt, unverändert bleibt (BGH, Urteil vom 11.7.1996 - IX ZR 80/95 -, Rn. 8). Dies gilt auch dann, wenn der Kläger zusätzlich einen neuen prozessualen Anspruch erhebt (BGH 11.7.1996 - IX ZR 80/95 -, Rn. 13). Vorliegend stützt der Kläger seine Schmerzensgeldforderung auf denselben Lebenssachverhalt wie seinen Anspruch auf Löschung des Eintrags und Korrektur des Scorewertes.
Mit der Erhebung des Schmerzensgeldanspruchs hat er seine Klage nach § 264 Nr. 2 Var. 1 ZPO erweitert.
Bei einer Klageerweiterung handelt es sich indes nicht um ein Angriffs- und Verteidigungsmittel, dessen Vorbringen nach § 296 ZPO präkludiert sein könnte. Angriffs- und Verteidigungsmittel sind alle zur Begründung des Sachantrages oder zur Verteidigung dagegen vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen und Einreden, sämtliches Bestreiten und alle Beweisanträge (BGH, Urteil vom 08.6.2004 - VI ZR 230/03 -, BGHZ 159, 254-263, Rn. 26). Die Geltendmachung eines neuen Anspruchs im Wege der Klageänderung und Klageerweiterung stellt hingegen den Angriff selbst dar und ist allein nach §§ 263, 264 ZPO zu beurteilen (BGH, Urteil vom 18.1.1955 - I ZR 119/53 -; BGH, Urteil vom 23.4.1986 - VIII ZR 93/85 -, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 20.9.2016 - VIII ZR 247/15 -).
Nach Art. 82 Abs. 1, 2 DS-GVO hat der Kläger gegen die Beklagte dann einen Anspruch auf Ersatz seines immateriellen Schadens in Gestalt eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 1 BGB), wenn ihm ein solcher auf Grund eines Verstoßes der Beklagten gegen die DS-GVO entstanden ist und die Beklagte nicht nachweisen kann, dass sie für diesen Schaden nicht verantwortlich ist (Art. 82 Abs. 3 DS-GVO).
Ein Verstoß gegen die DS-GVO könnte hier darin liegen, dass trotz des Widerspruchs des Klägers die Beklagte dessen Daten entgegen Art. 21 Abs. 1 S. 2 DS-GVO weiter verarbeitete und verwendete.
Auf eine tatsächliche Verwendung in Gestalt einer Weitergabe kommt es hier nicht an, da die Weitergabe durch von dem Kläger zu beantragende "Selbstauskünfte" namentlich für den Wohnungsmarkt eine bedeutende Rolle spielt. Der immaterielle Schaden des Klägers liegt in der potentiellen Stigmatisierung, die durch einen "(...)-Eintrag" entstehen kann.
Der Kläger hat vorliegend zwar einen Löschungsanspruch, der auf seinem Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 DS-GVO gründet. Ein Verstoß gegen die DS-GVO im Sinne des Art. 82 DS-GVO kann vorliegend jedoch erst ab dem Moment vorliegen, ab dem die Beklagte angesichts des Widerspruchs des Klägers unter Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 S. 2 DS-GVO nicht Abstand von der weiteren Verarbeitung und Weitergabe der gespeicherten Auskunft nimmt. Dies musste sie jedoch erst ab dem Zeitpunkt tun, ab dem sie auch Kenntnis aller relevanten, das Widerspruchsrecht des Klägers begründenden Umstände hatte. Da dies erst gegen Ende des vorliegenden Verfahrens überhaupt der Fall war, sind die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO vorliegend nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.