OVG Münster: Bundesnetzagentur darf bei Bußgeldverfahren nicht namentlich über betroffene Firmen berichten

Nach Ansicht des OVG Münster darf die Bundesnetzagentur im Rahmen von Bußgeldverfahren nicht namentlich über betroffene Firmen berichten (OVG Münster, Beschl. v. 17.05.2021 - Az.: 13 B 331/21).

Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erwirkte die Antragstellerin, ein Unternehmen, einen öffentlichen-rechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Bundesnetzagentur. 

Die Behörde hatte in der Vergangenheit auf ihrer Webseite eine Pressemitteilung  veröffentlicht, in der sie über die Verhängung des Bußgeldes gegen die Antragstellerin berichtete. Darin wurde der Antragstellerin vorgeworfen, dass sie nach Weisung ihres Auftraggebers an dessen Kunden insbesondere Drittanbieterabonnements für Hörbücher und Zeitschriften, Video-on-Demand Dienste, Sicherheitssoftware oder Handyversicherungen vertrieben und den Angerufenen dabei im Nachgang des Telefonats Zusatzdienstleistungen untergeschoben hätte, die diese überhaupt nicht bestellt hätten.

Auch seien gegenüber Neukunden Werbeanrufe getätigt worden, obwohl keine gültige Einwilligung vorgelegen habe, so die umstrittenen Ausführungen in der Pressemitteilung weiter. Viele Betroffene hätten angegeben, dass sogar trotz ausdrücklicher Untersagung weitere Anrufe erfolgt seien, durch die sie sich massiv belästigt gefühlt hätte. Die Antragstellerin habe zudem Adresskontingente bei Adresshändlern eingekauft, ohne in einem ausreichenden Maße zu prüfen, ob die Betroffenen tatsächlich wirksam in den Erhalt von Werbeanrufen eingewilligt hatten.

Gegen diese Behauptungen in der Pressemitteilung wehrte sich das namentlich genannte Unternehmen nun erfolgreich vor dem OVG Münster.

Zwar sei die Bundesnetzagentur, wie jede andere Behörde in Deutschland, grundsätzlich berechtigt, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und die Allgemeinheit über wichtige Ereignisse und Entwicklungen zu informieren. Für ein solches Handeln bedürfe es keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage.

Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn durch die Pressemitteilung in die Rechte von Dritten eingegriffen werde. Dann sei eine ausreichende Rechtsgrundlage notwendig.

Eine solche Konstellation sei - wie im vorliegenden Fall - beispielsweise dann gegeben, wenn unter Nennung des Firmennamens berichtet werde:

"Die mit der Pressemitteilung verbreiteten Informationen sind inhaltlich geeignet, die Markt- und Wettbewerbssituation mittelbar-faktisch zum wirtschaftlichen Nachteil der Antragstellerin zu verändern. Im Einzelnen informiert die Bundesnetzagentur sowohl über die Verhängung des Bußgeldes selbst als auch über das der Antragstellerin bzw. ihrer Geschäftsleitung in diesem Zusammenhang zur Last gelegte Fehlverhalten. (...)

Da die Antragstellerin in der Pressemitteilung mehrfach unter ihrer vollen Firma genannt wird, können ihr die Feststellungen der Bundesnetzagentur individuell zugeordnet werden. Bisherige Geschäftspartner der Antragstellerin können die mitgeteilten Informationen zum Anlass nehmen, schon aus Sorge vor einer eigenen Rufschädigung von einer weiteren Zusammenarbeit mit der Antragstellerin Abstand zu nehmen. Potentielle neue Geschäftspartner können durch die mitgeteilten Informationen verschreckt werden und sich vorsorglich für die Inanspruchnahme anderer „unbelasteter“ Dienstleister entscheiden.

Nicht zuletzt kann der Antragstellerin die eigene Tätigkeit im Bereich des Telemarketings dadurch erschwert werden, dass ihr Ruf im Kreis der Verbraucher in Mitleidenschaft gezogen wird und Anrufe ihrer Mitarbeiter wegen der gemäß § 312a Abs. 1 BGB gebotenen Offenlegung der Identität der Antragstellerin als Unternehmerin per se als unseriös bewertet und abgewehrt werden."

Eine Rechtsgrundlage für dieses Handeln der Bundesnetzagentur, so das OVG Münster, sei nicht ersichtlich.

Kein ausreichender Grund sei es jedenfalls, wenn die Behörde angebe, dass die Antragstellerin angeblich ihr rechtswidriges Verhalten fortsetze. Dann sei eine Berichterstattung möglicherweise erlaubt, jedoch nicht über das eigentliche Bußgeldverfahren:

"Der Erlass eines Bußgeldbescheides ersetzt für sich genommen nicht die für eine angestrebte öffentliche Warnung vor der Geschäftspraktik der Antragstellerin erforderlichen hinreichenden Verdachtsmomente dafür, dass sich die Antragstellerin auch weiterhin regelwidrig zu verhalten wird.

Die von der Bundesnetzagentur angeführte spezialpräventive Wirkung eines Bußgeldbescheides zur Sanktionierung begangener Rechtsverstöße liegt ja gerade in der Erwartung, dass der Betroffene das Bußgeld zum Anlass nimmt, sich künftig regelkonform zu verhalten.

Falls der Bundesnetzagentur belastbare Verdachtsmomente für künftiges regelwidriges Verhalten der Antragstellerin vorlägen, würde dies wiederum nicht die hier in Mitten stehende Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Erlass eines Bußgelbescheides, sondern allenfalls eine konkrete Warnung vor künftigem Fehlverhalten rechtfertigen, wobei die Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr durch § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG eröffneten Ermessens zu erwägen hätte, warum sie zur Beseitigung der drohenden Gefahr nicht gleich auf die ihr nach § 67 Abs. 1 TKG zustehenden Aufsichtsmaßnahmen zurückgreift.

Eine allgemeine generalpräventive Wirkung oder eine etwaige Verstärkung der Sanktionswirkung des verhängten Bußgelds gegenüber der Antragstellerin ließen sich auf die der Abwehr einer konkreten Gefahr dienende Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG von vornherein nicht stützen."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung des Gerichts ist in mehrfacher Sicht lesenswert und wird über kurz oder lang zu deutlich mehr Verfahren gegen Pressemitteilungen von Behörden führen.

Insbesondere im Bereich der DSGVO haben Ämter in der letzten Zeit über Bußgeldverfahren gegen Unternehmen berichtet, teilweise sogar in Fällen, in denen die Bescheide noch gar nicht rechtskräftig waren.

Es wird abzuwarten sein, welchen konkreten Einfluss die aktuelle gerichtliche Entscheidung auf das zukünftige behördliche Verhalten haben wird.