KG Berlin: Kein DSGVO-Schadensersatz, wenn personenbezogene Daten in einem Blog-Beitrag veröffentlicht werden, da Medienprivileg greift

Werden personenbezogene Daten in einem Blog-Beitrag online veröffentlicht werden, greift das Medienprivileg, sodass kein Anspruch auf Schadensersatz besteht (KG Berlin, Beschl. v. 17.03.2023 - Az.: 10 O 146/22).

Der betroffene Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte im Blog auf seiner Webseite das Geburtsdatum und die Adresse des Klägers genannt. Der Kläger machte daraufhin einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend.

Zu Unrecht, wie das KG Berlin entschied. Das KG Berlin schloss sich dem Standpunkt der Vorinstanz, dem LG Berlin (Az.: 27 O 300/21) an, das sich wie folgt geäußert hatte:

"Der Beklagte kann sich auf das Medienprivileg berufen, da seine streitgegenständlichen Beiträge zu journalistischen Zwecken veröffentlicht wurden.

Aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 II DS-GVO sind Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und Art. 7 DS-GVO durch Regelungen der Länder ausgenommen worden (vgl. BGH, Urt v. 22.2.2022 -VI ZR 1175/20, 022, 735, Rn. 18). Für den Bereich der Telemedien, der die streitgegenständliche Intemetberichterstattung umfasst, galt zur Zeit der Berichterstattung § 57 I  RStV (jetzt gleichlautend § 23 I  MStV). Es liegt auf der Hand, dass ein Schadensersatzanspruch gern. Art. 82 I DS-GVO nicht auf die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch eine journalistische Tätigkeit gestützt werden kann, wenn die Bestimmungen für die Tätigkeit gar nicht gelten (BGH, Urt. v. 22.2.2022 - VI ZR 1175/20, 022, 735, Rn. 18). (...)"

Und weiter: 

"ErwG 153 S. 7 DS-GVO besagt, dass Begriffe wie Journalismus, die sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung beziehen, weit ausgelegt werden müssen, um der Bedeutung dieses Rechts in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen. Es gilt daher eine weite Auslegung der journalistischen Zweckrichtung bei der Datenverarbeitung. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Einordnung, ob journalistische Zwecke mit der Datenverarbeitung verfolgt werden, ist das Vorliegen einer journalistischen Tätigkeit. Nach dem EuGH ist für eine journalistische Tätigkeit maßgeblich, dass sie zum Zweck hat, „Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“ (EuGH v. 16.12.2008 - C-73/07, ECLI:EU:C:2008:727, Satamedia, Rn. 61 f; vgl. EuGH v. 14.2.2019 - C-345/17, ECLI:EU:C:2019:122, Buivids, Rn. 53.).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den streitgegenständlichen Beiträge des Beklagten um solche zu journalistischen Zwecken.

Aufgrund der Vielzahl der Veröffentlichungen des Beklagten auf seinem Blog und dem damit verbundenen öffentlichen Informationsinteresse geht die Kammer von einer freien journalistischen Tätigkeit des Beklagten aus. Der Beklagte veröffentlicht auf seiner Kanzleiwebsite seit 2008 fortlaufend über 1000 Artikel zu Thema Recht. Dabei handelt es sich vorwiegend um Urteilsbesprechungen und Kommentierungen aktueller Gesetzesänderungen. Auf seinem Blog für Anwälte, der in seine Kanzleiwebsite integriert Ist, berichtet der Beklagte fortlaufend über Entscheidungen und sonstige Vorgänge (zB. Betrugsmaschen) zum Nachteil von Rechtsanwälten. Ferner veröffentlicht der Beklagte regelmäßig juristische Fachbeiträge in verschiedenen Fachzeitschriften. A

n den von dem Beklagten behandelten Themen besteht ein öffentliches Interesse einer nicht unerheblichen Lesergruppe wie Betroffene, Patienten, Angehörigen von Gesundheitsberufen und Rechtsanwälten, die sich durch die Veröffentlichungen des Beklagten hinsichtlich aktueller rechtlicher Entwicklungen und Entscheidungen informieren können. Der Beklagte überarbeitet seine Website regelmäßig, die Beiträge sind aktuell."

In der Rechtsmittelinstanz schloss sich das KG Berlin diesem Standpunkt an:

"Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass dem Kläger wegen der Blogbeiträge des Beklagten kein Anspruch aus Artikel 82 Absatz 1 DSGVO zusteht.

Denn nach dem noch maßgeblichen § 57 Absatz 1 Satz 4 RStV ist Art. 82 Absatz 1 DSGVO in Bezug auf die Blogbeiträge wohl nicht anwendbar (...). Der Beklagte hat das Geburtsdatum des Klägers sowie dessen angebliche Adressen (...) zu "journalistischen Zwecken“ im Sinne von § 57 Absatz 1 Satz 4 RStV i...)  verarbeitet."