Im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens hat das AG Stuttgart entschieden, dass der Vermieter von E-Scootern verpflichtet ist, die vollständigen Adressdaten seiner Kunden zu erfassen, da es andernfalls für die entstandenen Verfahrenskosten haftet. Eine solche Erhebung ist auch DSGVO-konform (AG Stuttgart, Beschl. v. 03.06.2023 - Az.: 20 OWi 1497/23).
Die Klägerin wehrte sich gegen einen Kostenbescheid der örtlichen Bußgeldstelle.
Die Klägerin war Vermieterin von E-Scootern. Die Stadt Stuttgart stellte fest, dass eines der Fahrzeuge in einem Verbotsbereich abgestellt war und verlangte von der Klägerin die Auskunft des Nutzers.
Das Unternehmen übersandte die gespeicherten Daten: Name, TelefonNr. und E-Mail-Adresse. Weitere Daten existierten nicht.
Der Stadt Stuttgart gelang es nicht, die betreffende Person zu identifizieren und stellte daraufhin das Ordnungswidirigkeiten-Verfahren ein, erlegte aber der Klägerin die Verfahrenskosten auf. Dagegen wehrte sich die Firma.
Das AG Stuttgart wies die Klage ab.
Es liege unstreitig ein Verkehrsverstoß vor, da der E-Scooter durch den Nutzer falsch abgestellt worden sei.
Die Ermittlung des Täters sei bereits aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unbillig:
"Die Ermittlung des für den Parkverstoß verantwortlichen Führers des Elektrokleinstfahrzeugs hätte jedenfalls einen unangemessenen Aufwand erfordert. Die Betroffene hat der Verfolgungsbehörde lediglich einen Namen, eine Handynummer und eine E-Mail-Adresse des Mieters mitgeteilt, nicht aber die notwendigen Personalien nach § 111a OWiG bzw. zumindest eindeutige Angaben zur Identifizierung einschließlich einer Wohnanschrift oder vergleichbaren Angabe zum ständigen Aufenthalt oder vergleichbaren Erreichbarkeit des Mieters.
Die Ermittlungen der Verfolgungsbehörde sind danach bereits gem. § 46 Abs. 4a OWiG nur gezielt möglich über eine Bestandsdatenauskunft bei den jeweiligen Telekommunikations-Dienstanbietern gem. § 46 Abs. 1, 2 OWiG i.V.m. § 100j Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO. Diese erfordern namentlich bei internationalen Anbietern von E-Mailpostfächern weiterhin Anfragen im Wege der internationalen Rechtshilfe, sind jedoch auch sonst und bei Auskünften zu Telefonbestandsdaten unter gestaffelter Abfrage bei der Bundesnetzagentur und den dort benannten Telekommunikationsanbietern bei den vorliegenden Kleinverstößen als konkret unverhältnismäßig anzusehen.
Zudem erfordern sie einen erheblich individuellen Aufwand einschließlich der nachfolgenden Überprüfungen der so ermittelten Mieter des Elektrokleinstfahrzeugs und ggf. ihrer weiteren Angaben auch zu den ggf. abweichenden konkreten Nutzern und Führern des Elektrokleinstfahrzeugs, der gegenüber der konkret im Raum stehenden Sanktionierung des hier in Frage stehenden Bagatellverstoßes im ruhenden Verkehr jedenfalls unangemessen ist, wenn er überhaupt regelmäßig während des Laufs der kurzen Verjährungsfrist zu leisten ist."
Es sei rechtmäßig, der Klägerin die entstandenen Verfahrenskosten aufzuerlegen, so die Richter weiter:
"Es ist auch nicht gem. § 25a Abs. 1 S. 3 StVG unbillig, die Betroffene als Halterin mit den Kosten zu belasten.
Durch ihr Unternehmenskonzept der gewinnbringenden Vermietung von Elektrokleinstfahrzeugen unter – nach ihren Angaben – Verzicht auf die Identifizierung der Mieter und reduzierte Erhebung von Daten zu deren Identität setzt die Betroffene gewerbsmäßig das Risiko von nicht zuzuordnenden und sanktionierbaren Verkehrsverstößen im öffentlichen Straßenverkehr.
Jedenfalls bei Vorhalten dieser weiteren Daten wären die Ermittlungen wesentlich und oft entscheidend erleichtert, es könnte wie sonst bei Mietkraftfahrzeugen eine Ermittlung direkt bei den Mietern erfolgen, auch wenn diese nicht immer zwingend zum Erfolg führen muss, wofür allerdings gängige Kraftfahrzeug-Mietunternehmen weitere Vorkehrungen jedenfalls im Hinblick auf den Kostenregress treffen, welche die Betroffene von vornherein durch ihr Geschäftsmodell nicht eintreten lassen will, um weder die Kosten nach § 25a StVG zu tragen noch diese an ihre Kunden weiterzugeben. Die Betroffene entzieht sich vorwerfbar nach dem Gedanken der omissio libera in causa ihrer Verpflichtung als Halterin und ggf. Zweckveranlasserin und Zustandsstörerin, im erforderlichen und zumutbaren Maß zur Aufklärung beizutragen.
Von diesem ist sie auch nicht durch die generelle gesetzgeberische Zulassung und Regelung von Elektrokleinstfahrzeugen entbunden."
Die vollständige Speicherung der Kunden sei auch DSGVO-konform umzusetzen gewesen, so das AG Stuttgart:
"Zwar sind Unternehmen gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO zum Grundsatz der Datenminimierung bzw. Datensparsamkeit verpflichtet, personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt zu erheben und weiter zu verarbeiten.
Bei den personenbezogenen Daten zu einer zustellungsfähigen Anschrift und weiteren Identität des Nutzers handelt es sich jedoch um solche Daten, die gerade zur Geltendmachung von Schäden bei Vertragsverletzungen im eigenen berechtigten Interesse der Betroffenen liegen (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) und diese zudem in die Lage versetzen, gerade sich von ihrer Haftung etwa nach § 25a StVG zu entlasten und ihre gesetzlichen Auskunftspflichten im Sinn von Art. 6 Abs. 1 lit. c), Abs. 3 S. 1 lit. b) DSGVO zu erfüllen."