Unwirksamer Webportal-Kauf wegen Missachtung des Datenschutzes

von Rechtsanwalt Noogie C. Kaufmann, Master of Arts

Im Zweifel - Null und Nichtig

Ob strategische Neuausrichtung, flankierende Maßnahme oder neues Geschäftsmodell - für den Erwerb von bereits bestehenden Internetportalen gibt es zahlreiche Gründe. Ebenso wie beim Kauf von Firmen mit Gebäuden und Maschinen stricken Noch-Inhaber und Bald-Betreiber oftmals ellenlange Verträge. Im "Kleingedruckten" wird dabei an so ziemlich alles gedacht, nur oftmals nicht an den Datenschutz. Dies kann sich aber als teurer Bumerang erweisen, wie mehrere Urteile zum Datenschutz beim herkömmlichen Unternehmenskauf zeigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) kannte dabei keine Gnade: Im Zweifel ist der gesamte Kontrakt unwirksam und der Deal Null und Nichtig. Unternehmer, die Portale kaufen oder aber auch verkaufen wollen, können jedoch bei Beachtung einiger wichtiger Parameter die Klippen sicher umschiffen.

Der Wert eines Webportals bemisst sich maßgeblich nach der Zahl seiner Mitglieder. Schließlich geht es dem Käufer darum, die bereits bestehenden Informationen zu den Mitgliedern zukünftig nutzen zu können. Juristisch betrachtet enthalten die Datenbanken von Webportalen personenbezogene Daten. Folglich sind die Buchstaben der Datenschutzgesetze zu beachten. Dies gilt insbesondere dahin gehend, dass die bestehenden Member gegenüber dem Erwerber in die Verwendung "ihrer" Daten einwilligen müssen.

Es reicht also nicht aus, dass sich der Noch-Inhaber und der Käufer vertraglich über den Übergang der personenbezogen Daten einigen. Fehlt es an der Einwilligung der Mitglieder und erfolgt die Übergabe des Portals, kann dies die fatale Konsequenz haben, dass der gesamte Kaufvertrag unwirksam ist.

Hintergrund dafür sind unter anderem zwei Urteile des Bundesgerichtshofs zum Kauf einer Anwaltskanzlei und einer Arztpraxis, die sich mühelos auch auf Online-Portale übertragen lassen.

Im ersten Fall wollte sich der altgediente Advokat auf seinen wohl verdienten Ruheteil zurückziehen und die bestehende Kanzlei verkaufen. Im als "Kanzleiübernahmevertrag" bezeichneten Kontrakt war geregelt, dass der Erwerber alle Mandanten übernehmen und sämtliche noch ausstehenden Honorarforderungen erhalten sollte. Von beiden Vereinbarungen waren die Mandanten beziehungsweise Schuldner nicht informiert worden. Folglich fehlte es für die Weitergabe der personenbezogenen Daten ihrer ausdrücklichen Einwilligung.

BGH: Verkauf unwirksam

Das oberste deutsche Zivilgericht erklärte genau aus diesem Grund den gesamten Vertrag für gegenstandslos (Urt. v. 17.05.1995 - Az. VIII ZR 94/94). Begründung: Die fehlende Einwilligung der vom Deal Betroffenen verletze deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem heutigen Kernbestandteil des Datenschutzes. Danach hat jeder Bürger das Recht, erst einmal selbst zu bestimmen, wer Kenntnis über seine Lebensumstände erhält und wer nicht.

Dazu verwies der BGH auf das mittlerweile schon legendäre Urteil des Bundesverfassungsgerichts "Volkszählung".

Ungewöhnlich für Nichtjuristen dürfte an der Entscheidung des Bundesgerichtshofes sein, dass alleine die monierte Abrede den gesamten Vertrag zum Kippen gebracht hatte. Schließlich geht es ja um das Recht der Betroffenen, das erst einmal mit dem Vertrag der beiden Advokaten nichts zu tun hat. Der Unwirksamkeitsgrund liegt aber schlicht darin, dass gegen eine gesetzlich Norm zuwider gehandelt wurde und das Resultat dann eben die Nichtigkeit des Kontrakts ist.

Auch der zweite Fall, den die Bundesrichter auf dem Tisch hatten, zeigt das hohe Risiko, wenn Erwerber und Veräußerer den Datenschutz nicht beachten. Gegenstand der Entscheidung war der Übergang einer Arztpraxis, bei dem die Patienten des Altmediziners vom Verkauf nicht informiert wurden.

Kernstück der Vereinbarung war der Verkauf der gesamten bestehenden Patientendatenbank. Als der Käufer deren Unvollständigkeit rügte, holte er sich in der letzten Instanz beim BGH eine blutige Nase. Ob die Datenbank nun vollständig gewesen sei oder nicht, interessierte die Richter überhaupt nicht. Ebenso wie im bereits geschilderten Fall der Kanzleiübernahme stellte das Gericht allein auf den Datenschutz ab. Da keine Einwilligung der Patienten vorlag, war die Übereinkunft unwirksam (Urt. v. 11.12.1991 - Az. VIII ZR 4/91).

Der Alteigentümer hätte laut BGH die Einwilligung seiner Patienten einholen müssen. Dem Argument, dass solche Praktiken Usus seit Jahr und Tag bei der Weitergabe einer Arztpraxis seien, schenkte das Gericht nur ein müdes Lächeln.

O-Ton: "Dass Praxisübernahmen häufig vorkommen und ein solches Verfahren auch allgemein bekannt ist, bedeutet nicht, dass der Patient ohne weiteres davon ausgehen muss, der Arzt, den er aufsucht, werde später die Behandlungsunterlagen einem anderem Arzt ohne eine - durchaus mögliche - Rückfrage überlassen".

Konsequenzen für Webportale

Ebenso wie bei der Übergabe von Anwaltskanzleien und Arztpraxen gehen auch beim Verkauf von Webportalen personenbezogene Daten vom Verkäufer auf den Käufer über. Da es zwischen offline und online juristisch betrachtet kaum Unterschiede gibt, muss auch hierbei der Datenschutz beachtet werden.

Demnach bedarf es der Einwilligung eines jeden Mitglieds, dass seine personenbezogenen Daten vom Erwerber weiter genutzt werden dürfen. Wichtig ist dabei, dass die Einwilligungen vor Abschluss des Deals vorliegen müssen. Für die konkrete Abwicklung dürfte es zulässig sein, dass der Nochbetreiber seine Mitglieder in einer E-Mail über den beabsichtigten Verkauf informiert. Bei einer derartigen Rund-Mail dürfte auch kein Fall des unzulässigen Spamming vorliegen, da hier die berechtigten Interessen des Portal-Betreibers überwiegen.

Für die einzuholende Erlaubnis ist es wichtig, dass das Mitglied aktiv in die Weitergabe seiner personenbezogenen Daten einwilligt. Demnach empfiehlt sich ein aufklärender Text und die Integration einer nicht vordefinierten Checkbox. Nur wenn das Mitglied sein Häkchen in die Box setzt, ist die Zustimmung juristisch wasserdicht.

Praxistipp: Salvatorische Klausel

Nicht selten findet man in Verträgen aller Art so genannte salvatorische Klauseln. Damit bringen die Parteien zum Ausdruck, dass sie in jedem Fall am Kontrakt festhalten wollen und dies auch für den Fall, dass eine Abrede aus rechtlichen Gründen unwirksam ist. Dann tritt an die Stelle des unwirksamen Passus die gesetzliche Regelung. Eine derartige Abrede sollte in keinem Kaufvertrag über Webportale fehlen.

Schließlich hat der BGH in der bereits erwähnten Arztpraxis-Verkaufs-Entscheidung ausdrücklich festgehalten, dass der dortige Vertrag als solcher trotz der unwirksamen Vereinbarung bezüglich der Übernahme der Patientendatenbank weiter wirksam bleibt.